NOVEMBER 01
 
Rubriken
Service
Kontakt

 

EXTRA

 

Antike Myhtologie: Hermes
















Hermes

Der Name wird auch heute noch häufig gebraucht. Sei es für Versicherungen, als Sinnbild für Schnelligkeit oder für teure französische Seidentücher – kaum ein anderer griechischer Gott ist in unserer Zeit so omnipräsent wie Hermes. Nicht ohne Grund: Er ist eine der schillerndsten Gestalten des Olymp und vereint viele Eigenschaften in sich.

Als Sohn des Zeus und der Maia stahl Hermes bereits als kleines Kind dem Apollon dessen Rinderherde. Er versteckte sich mit den Tieren, schlachtete zwei und bastelte sich aus ihren Gedärmen und dem Panzer einer Schildkröte ein Musikinstrument – womit er die Lyra (Leier) erfunden hatte, die er später dem Apollon schenkte, damit der ihm den Diebstahl nachsah.

Gott des Handels, der Kaufleute, Diebe und Betrüger, Wege und Wanderer, der Herden, des Schlafes und der Träume, der Redekunst und des Denkens, nicht zuletzt des Glückes – und ewig jugendlicher Herold und Bote der Götter – all das auf einmal zu sein, ist eine einzigartige Kombination.

Der Götterbote Hermes mußte schnell und mobil sein. Zu diesen Zwecken erhielt er einen geflügelten Helm und geflügelte Sandalen, außerdem den Kerykeion (bzw. lateinisch Caduceus), einen Zauberstab, der ihm als Heroldsstab diente und andere Lebewesen in tiefen Schlaf versetzen konnte. Mit seiner Hilfe gelang es dem dynamischen Gott beispielsweise, das berüchtigte Ungeheuer Argos zu töten, das von seinen hundert Augen stets mindestens eines offenhielt, während die anderen ruhten. (Diese Tat brachte ihm auch den Beinamen „der Argostöter“ ein, der von Homer im Dienste sauberer Hexameter teilweise überstrapaziert wird.) Die Eigenschaften dieser Wunderwaffe machten Hermes gleichzeitig zum Herrscher über Schlaf und Träume der Menschen.

Ein Gott der Diebe und Betrüger muß fast zwangsläufig auch ein Gott der Geschicklichkeit und der Schlauheit sein. Tatsächlich ist Hermes der Gott der Rhetorik und des Denkens und als solcher obendrein Schutzpatron der Schulen. Dem Gott des Glückes ist das nach ihm benannte Hermaion, der Glücksfund, zu verdanken.

Der Gott der Wege und Wanderer versteckte sich in Form kleiner Statuetten unter den Steinhäufen, die in der Antike als Wegmarkierung dienten und auf diese Weise eine „Seele“ erhielten. Diese Abbilder, sogenannte Hermen, entkamen mit der Zeit den Steinhäufen und trugen zunächst Bärte und fein herausgearbeitete, erigierte Phalloi. Später fiel der Bart weg, die Geschlechtsteile blieben. Allerdings nicht mehr lange: Im Zuge einer Art Revolution zog ein aufgebrachter Mob durch ganz Griechenland und entmannte binnen weniger Nächte fast sämtliche Statuen (die deswegen heute eine Seltenheit sind). Von da an entwickelte sich die Herme vom Götterbild zur Büste einer beliebigen Person, wofür in erster Linie der Bildhauer Praxiteles verantwortlich zeichnet. Statt auf einem Körper ruhte der Kopf auf einem Pfeiler, der mit einer Inschrift – etwa einer Entfernungsangabe oder einem Denkspruch – versehen wurde. Das Ganze wurde nach wie vor als ehrenbezeugende Wegmarkierung aufgestellt. – Auch auf deren letztem Weg ließ Hermes die Reisenden übrigens nicht im Stich: Mit dem Beinamen Psychopompos („Seelenbegleiter“) schließlich führte er die Seelen der Toten in die Unterwelt.

Hermes läßt sich schwerlich erschöpfend beschreiben. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß der Schriftsteller Sten Nadolny mit „Ein Gott der Frechheit“ einen hübschen kleinen Roman geschrieben hat, der in unserer Zeit spielt und in welchem dem Gott die Hauptrolle zukommt.

mp