NOVEMBER
2002

 
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Werner Fuld: "Lexikon der letzten Worte"
"Lexikon der letzten Worte"
Werner Fuld
Eichborn Verlag, 2001

 

„Sage mir, wie du stirbst, und ich sage dir, wer du warst.“ Ausgehend von diesem Satz von Octavio Paz sammelte Werner Fuld die letzten Worte großer Männer und Frauen. Das Resultat ist mal traurig, mal komisch, mal absurd.

Werner Fuld griff eine Idee von Montaigne auf. Der französische Philosoph plante eine Sammlung letzter Worte, da er der Meinung war, daß Menschen nur angesichts des Todes die Wahrheit sagen. Fuld sammelte Anekdoten quer durch die Jahrhunderte - stellt alphabethisch geordnet Schriftsteller neben Frauenrechtlerinnen, Politiker neben Schauspielerinnen, hingerichtete Adelige neben indische Gurus und Schwerverbrecher.

Die letzten Worte lassen Rückschlüsse auf den Charakter zu. So stellte Winston Churchill lakonisch-resigniert fest: „Alles ist so langweilig.“ Marcel Proust flüsterte weinerlich seiner Haushälterin zu: „Ach Céleste, warum haben Sie das zugelassen?“ Heinrich Heine blieb humorvoll bis zum Schluß: „Gott wird mir verzeihen; es ist sein Beruf.“ Der japanische Künstler Hokusai verschied mit bescheidenen Worten auf den Lippen: „Wenn der Himmel mir noch fünfzig Jahre geschenkt hätte, dann wäre ich wirklich ein Maler geworden.“ Exzessiv bis zum bitteren Ende war die heute fast vergessene Schauspielerin Tallulah Bankhead, die von Kollegin Marlene Dietrich als „die unmoralischste Frau, die jemals gelebt hat“ bezeichnet wurde. Die letzten Worte der alkohol- und drogenabhängigen Diva lauteten: „Kodein! Bourbon!“

Bezeichnend sind auch die Gespräche zwischen zum Tode verurteilten Adeligen und ihren Henkern. Anne Boleyn erklärte trocken: „Sie werden wenig Mühe haben, mein Hals ist sehr dünn.“ Marie Antoinette trat ihrem Henker auf den Fuß und entschuldigte sich ihrer Erziehung gemäß: „Ich bitte um Verzeihung, mein Herr.“ Während Sir Walter Raleigh den zögernden Scharfrichter ermutigte: „Was zögerst du, Mann - schlag zu, dir passiert ja nichts.“

Werner Fulds Buch ist reich an Anekdoten über das Leben und Sterben prominenter Persönlichkeiten. Die Glaubwürdigkeit des „Lexikons der letzten Worte“ wird jedoch dadurch gemindert, daß einige der neueren Beispiele nachweisbar falsch sind. So ist eindeutig überliefert, daß die letzten Worte des Hollywoodidols Humphrey Bogart nicht - wie Fuld glauben läßt - seinem besten Freund, dem Alkohol galten („Ich hätte nicht von Scotch zu Martinis wechseln sollen“), sondern seiner fünfundzwanzig Jahre jüngeren Ehefrau Lauren Bacall, von der er sich schlicht verabschiedete: „Gute Nacht, Kleines.“

vh