DEZEMBER
2002

 
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Museum of Chinese in the Americas: „Wir wurden reisend geboren”

siehe auch:
www.moca-nyc.org

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„Meine Heimat ist New York“, „Meine Heimat ist in China“, „Heimat ist, wo das Herz liegt“. Das haben einige Besucher des Museum of Chinese in the Americas auf Papierstreifen geschrieben. Seit 1996 ist die Dauerausstellung „Where is Home?“ zu sehen und regt die Besucher an, sich selbst Gedanken über den Heimatbegriff zu machen. „Unsere Arbeit ist eher ein Dialog zwischen dem Museum und den Besuchern. Wir möchten, daß die Leute Erfahrungen mit uns teilen und nicht nur Fakten präsentiert bekommen,“ sagt Museumsdirektorin Fay Chew Matsuda. Andere Definitionen des Heimatbegriffs werden auf Schautafeln angeboten - wie die des Dramatikers David Henry Hwang. In einem Auszug aus seinem Stück „As the Crow flies“ heißt es: „Wir wurden reisend geboren. Wir reisen - unser Leben lang. Ich suche nicht nach einer Heimat. Ich weiß, es gibt keine.“

Der große Ausstellungsraum hat die Form einer chinesischen Papierlaterne. Schilder, Streichholzschachteln, Rechnungen und Speisekarten chinesischer Restaurants, Bügeleisen, ein Quilt, ein kantonesisches Opernkostüm, Fotografien, geflochtene Koffer, Briefe, Strohpantoffel, ein Schuh, der nur gebundenen Füßen paßt - die Exponate ergeben ein buntes Gesamtbild. Zwei Jahre hat es gedauert bis die Idee zu „Where is Home?“ umgesetzt war. Die Ausstellung ist so konzipiert, daß immer etwas hinzugefügt oder verändert werden kann.

Die Objekte sind oft Schenkungen aus Nachlässen. Häufig kommt es aber auch vor, daß Ausstellungsstücke vor der Müllabfuhr gerettet werden. Das kantonesische Opernkostüm wäre beim Umzug eines New Yorker Opernclubs beinahe weggeworfen worden. Heute ist es eines der Prunkstücke des Museums. Seine Spuren konnten bis ins China des 19. Jahrhunderts zurück verfolgt werden. Auch auf die Bügeleisensammlung ist Fay Chew Matsuda sehr stolz. Schließlich wird damit ein wichtiger Berufszweig der chinesischen Immigranten symbolisiert. Der Quilt hat ebenfalls seine eigene Geschichte. Er wurde 1989 in monatelanger Arbeit von der Quilt-Macherin Debbie Lee zusammen mit chinesischen Näherinnen aus der Textilindustrie hergestellt.

Eine zweite, kleine Galerie ermöglicht zusätzliche, wechselnde Ausstellungen - zum Beispiel von Werken amerikanischer Künstler chinesischer Abstammung. Im Jahr 2000 wurde „Fan Ngukkei“ (Rückkehr nach Hause), eine Installation der chinesisch-kanadischen Künstlerin Brenda Joy Lem, gezeigt. Auf bedruckten Segeltuchvorhängen erzählte die Künstlerin die Geschichte ihrer Familie. Die Berichte aus dem Alltag der Verwandten entsprechen dem Ansatz des Museums, „Oral History“ zu betreiben - sich nicht nur mit Ereignissen weltgeschichtlicher Bedeutung zu befassen, sondern die Sicht von einzelnen Menschen zu berücksichtigen.

In „Mi Familia, Mi Communidad“ wurden 1999 die Familien Bu, Lau und Chiu, die nach Kuba, Guatemala und Peru ausgewandert waren, vorgestellt. Die drei Familien hatten ihr Leben in Südamerika auf vielen Fotos festgehalten. Die Ausstellung „Gotta Sing, Gotta Dance“ im Jahr 2000 erinnerte an chinesische Entertainer, die im westlichen und nicht im traditionell-chinesischen Sinn unterhielten. Das Museum bekam bei diesem wie bei vielen anderen Projekten Hilfe von Besuchern, die Dokumente und ihre Erinnerungen anboten.

Das Museum of Chinese in the Americas ist eines der wenigen Museen in den USA, die sich mit den Erfahrungen der chinesischen Diaspora befassen, und das einzige, das Identität, Vielfalt und Immigration thematisiert. Sieben Angestellte, zahlreiche freiwillige Mitarbeiter und Praktikanten arbeiten in dem New Yorker Museum. Die meisten Mitarbeiter sind chinesischer Abstammung, doch manchmal kommen auch Wissenschaftler aus dem Ausland. So konnte Isabelle Duchesne einmal ein Kommunikationsproblem lösen. Die kantonesisch sprechenden Museumsmitarbeiter konnten sich nicht mit einem Mandarin sprechenden Besucher verständigen. Die Französin Duchesne beherrscht Mandarin fließend und konnte dem Besucher schließlich weiterhelfen.

Viele Besucher des Museums sind chinesischer Abstammung. Andere sind an China interessiert, haben gerade eine Asienreise hinter sich oder sind auf dem Weg dorthin. Beliebt ist das Museum auch bei Schulklassen, die gerade die Geschichte der Immigration durchnehmen. In den letzten Jahren kommen vermehrt Familien, die chinesische Kinder adoptiert haben und ihnen diesen kulturellen Hintergrund vermitteln möchten.

Anfang 2000 hatte die Museumsdirektorin Fay Chew Matsuda die Gelegenheit das Konzept des Museums auf einer Konferenz in Linz vorzustellen, und stellte fest, daß die amerikanische Idee von Gemeinschaft für Europäer größtenteils neu ist, aber auf Interesse stößt. „In Europa verändern sich die Städte. Die Bevölkerung wird durchmischter. Man muß also neue Modelle finden, wie man Seite an Seite leben kann.“

vh

 

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"We Are Born Travelling"

“My home is New York”, “My home is in China”, “Home is where the heart is”. That is what some visitors of the Museum of Chinese in the Americas wrote on small sheets. The permanent exhibition “Where is Home?” is shown since 1996 and encourages visitors to think about their notion of the term “home”. “Our work is more a dialogue between museum and visitor. We don’t just want to present facts. We want people to share experiences with us,” says Fay Chew Matsuda, executive director of the museum. Other definitions of “home” are offered - like playwright David Henry Hwang’s. An excerpt of his drama “As the Crow Flies” says: “We are born traveling. We travel - all our lives. I am not looking for a home. I know there is none.”

The showroom has the shape of a Chinese paper lantern. Nameplates, matchboxes, bills and menus of Chinese restaurants, irons, a quilt, a Cantonese opera costume, photographs, suitcases, letters, straw slippers, a shoe that only fits bound feet - the beautifully arranged items create a colourful overall picture. It took two years until the idea of “Where is Home?” became reality. The exhibition was designed in a way that makes it always possible to add or to change something.

The objects are often donations from estates. It also happens frequently that exhibits are salvaged. The Cantonese opera costume, for example, was almost thrown into the garbage when a opera club from New York moved. Today it is one of the museum’s showpieces. Fay Chew Matsuda is also proud of the iron collection. After all, it symbolises an important line of work for the Chinese immigrants. The quilt has a story of its own, too. In 1989, it was produced in several months by quilt-maker Debbie Lee and Chinese-American garment workers.

A second, smaller gallery makes changing exhibitions possible - for example featuring the work of Chinese-American artists. In 2000, “Fan Ngukkei” (Return Home), an installation by the Chinese-Canadian artist Brenda Joy Lem, was shown. The artist tells her family’s story on printed silk-screened canvas banners. The reports of the relatives’ everyday life match the museum’s approach of “oral history” - not only to work on events of worldhistoric meaning, but to focus on individual points of view.

“Mi Familia, Mi Communidad” introduced in 1999 the Bu, Lau and Chiu families who emigrated to Cuba, Guatemala and Peru. The three families documented their lives in South America photographically. The exhibition “Gotta Sing, Gotta Dance” in 2000 evoked memories of Chinese-American performers who entertained in the Western sense, not in the traditional way. The Museum received for this project, as for many others, help from visitors - in form of documents and personal memories.

The Museum of Chinese in the Americas is one of the very few in the USA dealing with the experiences of the Chinese community in the Diaspora and the only one focusing on terms like “identity”, “diversity” and “immigration”. Seven employees, numerous volunteers and intern work in the New Yorker Museum. Most of the employees are Chinese-Americans, but sometimes foreign academics come to work there. Isabelle Duchesne was once able to solve a communication problem. The Cantonese speaking staff did not manage to communicate with a Mandarin speaking visitor. Duchesne who is French, but speaks Mandarin fluently, could finally help the visitor.

Many visitors are of Chinese origin. Others are interested in China returning from or on their way to Asia. The museum is also popular with school classes who have “immigration” on their schedule. In the last few years a new group of visitors came frequently: families who adopted Chinese children and want to provide them with a cultural background.

In 2000, Fay Chew Matsuda had the chance to present the museum’s concept at a conference in Linz. She remarked that the American notion of “community” is new to Europeans, but of great interest. “In Europe cities are changing. The population gets more mixed. So you have to find new ways how to live side by side.”

vh