NOVEMBER
2005

 
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Damit es mit Merkel nicht kalt wird in Deutschland
Hinweis der Verfasserin: Dieser Artikel ist für Jugendliche unter 18 Jahren nicht geeignet.

Für Rouven, Daniela und Christian - es war ne geile Zeit…

Nach jahrzehntelangem Kampf und 87 Jahren Wahlberechtigung ist es endlich soweit: Deutschland hat eine Bundeskanzlerin. Über deren politische Herkunft mag manch einer - oder manch eine - zwar unglücklich sein, dies ändert jedoch nichts an der symbolischen Tragweite einer Frau im Bundeskanzleramt. Angela Merkel ist der lebendige Beweis dafür, dass Frauen allmählich Bereiche erobern, die sich jahrzehntelang fest in Männerhand befanden. Zu jenen Bereichen gehört auch der Pornographiemarkt, der seit einiger Zeit verstärkt von Produzentinnen und Konsumentinnen eingenommen wird. Im Gegensatz zur weiblichen Präsenz in der Politik geschieht dies allerdings nicht wegen, sondern trotz feministischer Bestrebungen der (Post-) Achtundsechzigergeneration.

"Mit Pornographie ist es ähnlich wie mit Prostitution oder Mc Donald's: keiner geht hin, trotzdem floriert das Geschäft"

Pornographie galt lange Zeit als reine Männersache. Von Teilen der Frauenbewegung wurde sie sogar zum patriarchalen Instrument der Frauenunterdrückung erklärt. So verstärkte etwa die PorNo-Bewegung Ende der Achtziger Jahre mit ihrem Slogan "Pornographie ist die Theorie - Vergewaltigung die Praxis" das Image der Pornographie als frauenfeindliche Darstellung sexueller Männerphantasien. Pornographie wurde seither häufig gleichgesetzt mit einer Anleitung zur Ausübung sexueller Gewalt gegen Frauen (www.aliceschwarzer.de/632068430081875.html, die Ausgewogenheit der Darstellung soll zumindest annähernd gewährleistet werden).

Dass eine solche Sichtweise grober Unfug ist, zeigt die Kulturwissenschaftlerin Corinna Rückert in ihrem Buch "Die neue Lust der Frauen". Ausgehend von einer Definition der Pornographie als eindeutige, detaillierte Inszenierung sexueller Fantasien in allen Medien (1), macht sie deutlich, dass Pornographie keine realen Handlungen dokumentiert, sondern vielmehr sexuelle Phantasien inszeniert. Sie darf somit auch nicht als Handlungsanleitung oder Abbild der Realität missverstanden werden. Für ihre Konsumentinnen und Konsumenten erfüllt die Pornographie eine ähnliche Funktion wie deren persönliche sexuelle Phantasien. Sie schafft eine Scheinwelt, eine Art Gegenrealität, in der alles stattfinden kann, was in Wirklichkeit nicht sein kann und nicht sein darf.

Dennoch scheint sich durch die von Alice Schwarzer in Deutschland initiierte PorNo-Kampagne das negative Bild der Pornographie in der Öffentlichkeit durchgesetzt zu haben. Dies wird vor allem deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die Bundesrepublik anderen europäischen Ländern - und sogar den USA - in Hinblick auf eine Liberalisierung des Pornomarktes hinterherhinkt. Aus diesem Grunde dominieren in Deutschland nachwievor die herkömmlichen Vertriebswege den Markt, nämlich Pornoshops und -videotheken, die sich überwiegend an ein männliches Klientel richten. Folglich ist die Verbreitung von Pornographie, die sowohl Männer als auch Frauen anspricht, immer noch verhältnismäßig gering. Frauen kommen daher nur mit Mühe auf ihre Kosten. Fazit ist, dass Frauen nicht Opfer des Patriarchats, sondern vielmehr die Gelinkten der Ignoranz einiger feministischer Gruppierungen sind. Sie werden durch die Folgen der von diesen geforderten Marktreglementierung benachteiligt. Erleichtert wird diese Situation mittlerweile jedoch durch die Eröffnung von Frauenerotikläden, deren meist überschaubares Pornoangebot sich sowohl an Frauen als auch an ein anspruchsvolles Publikum (allgemein) richtet.

Frauenpornographie - gibt's das?

Betrachtet man die Inhalte pornographischer Werke in Kunst, Literatur und Film, so lässt sich die Frage nach der Existenz spezifisch weiblicher Pornographie in Einklang mit Corinna Rückert verneinen. Die Kulturwissenschaftlerin zeigt anhand zahlreicher Beispiele, dass Pornographie, egal ob von männlichen oder weiblichen Produzenten und unabhängig von der Zielgruppe (homo-, hetero- oder bisexuelle Rezipienten), stets um die gleichen Gegenstände kreist. Es geht um Hingabe und Verführung, Dominanz und Unterwerfung. Dargestellt werden - wer hätte es vermutet? - Sex in allen Stellungen und Variationen, Rollenspiele, Orgien und S/M- Inszenierungen. Somit gibt es im Übrigen weder spezifisch weibliche noch spezifisch männliche Phantasien.

Die einzig feststellbaren Unterschiede zwischen den untersuchten Materialien liegen in der Darstellungsform, der Personenkonstellation und der Art und Weise, wie der Rezipient in das Geschehen einbezogen wird.

So gibt es auf der einen Seite dezente, ästhetische Werke und auf der anderen Seite unmittelbarere, direktere Inszenierungen. Dies zeigt sich in der Literatur durch Wortwahl und Erzählstruktur. Dezente Texte haben meist einen breiteren erzählerischen Rahmen, weisen häufig innere Monologe auf und verwenden mehr Metaphern. Autoren/innen direkter Texte verschwenden weniger Zeit für die Gedanken der Protagonisten, verwenden eindeutige Bezeichnungen oder vulgärsprachliche Ausdrücke. Geht man davon aus, dass Frauen dezentere, ästhetischere Darstellungsformen bevorzugen, so kann man also schon von weiblicher Pornographie sprechen. Ob diese Präferenz jedoch pauschal zutrifft, darf bezweifelt werden. Letztendlich kommt es wie bei den Inhalten wohl auch bei der bevorzugten Darstellungsform auf die Vorlieben des Einzelnen an.

Was die Personenkonstellation und die Einbeziehung des Konsumenten betrifft, so stellt lesbische Pornographie beispielsweise überwiegend weibliche Protagonisten in den Vordergrund und grenzt potentielle männliche Betrachter aus. Wie genau das funktioniert, wird im Folgenden näher erläutert werden.

"Daddy hat mich vor Alkohol und Männern gewarnt…Von Frauen und Kokain hat er kein Wort gesagt!"

Obwohl sich homosexuelle wie auch heterosexuelle und bisexuelle Autorinnen und Autoren in ihren Darstellungen der klassischen Elemente der Pornographie bedienen, also Penetrationen und Oralverkehr in allen erdenklichen Variationen zeigen, unterscheiden sie sich wesentlich von denen heterosexueller Autorinnen und Autoren. So wird etwa in der Erzählung "Wie Elvira ihre Sexkrise verlor" von der Autorin Regina Nössler die Perspektive des männlichen Lesers als Voyeur ganz bewusst und zugunsten innerer Monologe der Protagonistin eingeschränkt. Männer haben in dieser lesbischen Erzählung nämlich herzlich wenig zu suchen - nicht als heimlicher Betrachter und schon gar nicht als Sexualpartner.

"[…] Zwar wäre Elvira jetzt gerne von hinten gevögelt worden, um die Auslieferung, in die sie sich einfügte, perfekt zu machen, um nur noch, ohne es sehen zu können, darauf zu warten, was Frau Elstermeier wohl als nächstes ausheckte - aber so war es auch gut. All das Ich will nicht, ich will nicht - du musst aber hatte Elvira hinter sich gebracht. Frau Elstermeier war nun seit mindestens einer Stunde in ihr drin. Elvira blickte auf ihre herabhängenden Brüste und kam zu der Erkenntnis, dass ihr große Titten wohl gefielen […]."

Den Darstellungen homo-, hetero- und bisexuellen männlichen oder weiblichen Fantasien gemeinsam ist wiederum das Schwanken zwischen Hingabe und Verführung, Dominanz und Unterwerfung, das auch im vorliegenden Textausschnitt thematisiert wird.

Bereits in der Kürze der hier gebotenen, zugegebenermaßen lückenhaften Darstellung, die ein Artikel für ein Onlinemagazin zweifellos erfordert, wird deutlich, wie facettenreich das Pornoangebot ist. Es reicht für eine Dissertation. Pauschalurteile sind nicht nur ignorant, sondern auch unkorrekt. Wer mehr erfahren und Empfehlungen für qualitativ hochwertige Produkte haben möchte, sollte sich das oben zitierte Buch von Corinna Rückert zu Gemüte führen. Es ist nicht nur interessant, informativ und anregend, sondern durchaus auch amüsant zu lesen. Ausgehend davon kann sich dann jede(r) selbständig durch den Pornodschungel schlagen. Die Beschaffung der von Rückert empfohlenen und teilweise zitierten Werke ist jedoch nicht immer einfach und meist eine sehr kostspielige Angelegenheit. Von daher ist es wahrscheinlich rentabler, öfter mal das Kopfkino anzuschalten. Anregungen gibt's genug.

ma

(1) Vgl. Rückert, Corinna: Die neue Lust der Frauen. Vom entspannten Umgang mit der Pornographie, Reinbek, 2004, S. 27.