1. Die Losung der Renatuther 
            Brüderversammle für November 2402 steht im 4. Brief des 
            sorgenvollen Heinrich:
           Jeder von uns, der mit zerrissener Weste 
            durch die Menge geht, 
            zeugt von der Schande, die wir unserem Namen antun.
            (4Hein 9)
          Meine Töchter, liebe Brüder!
            
            Der sog. vierte Heinrichbrief ist fast wie ein Klagelied, das die 
            Überschrift Ruf der verfolgten Renatisten in der Erniedrigung 
            tragen könnte. Die Not im von den Lakariern besetzt gehaltenen 
            Lande muß unermeßlich groß gewesen sein.
            
            Feinde bewohnen das eigene Haus. Die Daheimgebliebenen müssen 
            das Wasser fürs Autowaschen bei den Pumpzöllnern teuer bezahlen 
            - und das angesichts der Tatsache, daß ihnen früher die 
            Pumpen nicht nur allerorts kostenlos zur Verfügung standen, sondern 
            auch, daß bis zum gänzlichen Verbot von Privatwagen die 
            Lakarier ein schikanöses Gesetz verhängen, wonach nur mit 
            gewaschenen Autos gefahren werden dürfe. Was gewaschen bedeutet, 
            legen die Lakarier zudem rein willkürlich aus! Daß damit 
            die Bewegungsfreiheit äußerst eingeschränkt ist, liegt 
            auf der Hand. Noch schlimmer ist aber, daß selbst fürs 
            Abschlagen oder nur Sammeln von Brennholz aus dem eigenen Wald bei 
            einem Holzbeauftragten hohe Preise gezahlt werden müssen! Frauen 
            und Mädchen sind den lüsternen Nachstellungen und Vergewaltigungen 
            durch die Feinde wehrlos ausgeliefert. Zeigt sich eine Frau nicht 
            gefügig, wird sie auf der Stelle in den Stillstand befördert, 
            was die euphemistische und menschenverachtende Umschreibung für 
            hingerichtet ist! Viele Männer werden zum sogenannten 
            Zwangsstillstand abkommandiert, was heißt, daß sie oft 
            monatelang in fensterlosen Kellerverließen dahinvegetieren.
            
            So verhält es sich, wenn in den Renatika von der Zeit des Stillstands 
            zu lesen ist. Wahrhaft grausame Dinge sind das, fürwahr. Wir 
            können aber daraus lernen, was auch in der tiefsten Tiefe überleben, 
            ja überwinden hilft. Hier wird nicht Renate angeklagt, die alles 
            zulasse, von oben ruhig zuschaue (vgl. EvFrei 13,18) und nicht eingreife, 
            aber auch nicht die Gegner, die so unmenschlich handeln - sondern 
            die Renatisten selbst, deren wankelmütiges Herz sie in die Flucht 
            geschlagen hat. Von dieser Einsicht her kann die Klage zu einem Aufruf 
            werden. So heißt es auch im Vers 10: Aber keiner von uns 
            wird hier bleiben. Das letzte Wort über das Recht unseres Namen 
            ist noch nicht gesprochen! Das heißt auch: In welche Lage 
            wir immer uns gebracht haben, wir können umkehren und zurückfinden.
            
            Machen wir uns zudem deutlich, daß mit dem Wort Einsicht 
            eine sehr anschauliche Sache gemeint ist: Wir haben Einsicht in Wegbiegungen 
            oder Ausfahrten. Sie ist geradezu Voraussetzung für einen gefahrlosen 
            Transport. Einsicht ist aber gleichzeitig ein vielschichtiger geistiger 
            Prozeß, der Umsicht, Voraussicht, Rücksicht einschließt 
            und mit Verantwortung verbunden ist. So bedeutet Einsicht gewinnen 
            oder ein Einsehen haben: Mir geht ein bisher verschlossener 
            Sachverhalt auf, und ich verändere daraufhin meine Einstellung. 
            Ich werde einsichtig. Die Einsicht schließt also 
            ein In-sich-Gehen ein. Und das ist der erste Schritt zur 
            Umkehr. Einen solchen Schritt haben die neuexegetisch-poldeïschen 
            Versammlungen beispielsweise im Jahre 2365 mit ihrer Demokratiedenkschrift 
            getan. Das grausame Geschick, das die Constancischen Renatiker 
            mit ihrem Totalitarismus einzelnen Renatisten im besonderen und vielen 
            Menschen im allgemeinen angetan haben, mußte erst einmal erkannt 
            und anerkannt werden als Teil des schweren Unglücks, das 
            Renatisten schuldhaft über sich selbst und andere gebracht haben. 
            Solche schmerzlichen Schritte der Schuldeinsicht sind nötig, 
            um im eigenen Leben oder in der Gesellschaft Veränderungen hin 
            zum vollkommenen Lastenausgleich zu bewirken.
            
            Renanata!
            
            Judica Palm-Sonntag, Oberversammlungsleiterin/Augsburg
          fs / bä
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