MÄRZ
2007

 
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Das Rollenspiel "Munchkin"
"Munchkin"
Steve Jackson
Auch Munchkin reitet auf der Welle der Rollenspiel-Klone in Kartenform. Vielleicht trifft das auch nicht ganz zu - man könnte beinahe sagen, daß es die Welle erst ausgelöst hat.

Der Autor Steve Jackson ist in den USA mittlerweile eine lebende Legende, nachdem er in den frühen 1980er Jahren mit dem Spiel "Illuminati" gleichsam Geschichte schrieb, besonders ungewöhnlich schon deshalb, weil dort seit der Erfindung von Monopoly wenig Bewegung in der Gesellschaftsspieleentwicklung herrschte (weltweiter Vorreiter ist unbestritten Deutschland).

Munchkin ist weitaus weniger komplex. In Anlehnung an die geistige Vorlage - das Rollenspiel - gilt es, einen "Dungeon" zu erforschen, eine tunnelhafte Halb-Unterwelt aus aneinandergereihten Räumen voller Gegenstände mit besonderen Eigenschaften und Monster in verschiedenen Stärkestufen.

Der Spieler am Zug "betritt" den jeweils nächsten Raum, indem er die Karte vom entsprechenden Stapel (es gibt je einen Stapel für Raum-Karten und Schatz-Karten) für alle sichtbar aufdeckt. Diese zeigt entweder eine Rasse oder Klasse (Mensch, Halbling, Krieger, Zauberer etc.), einen Fluch (meist den Verlust bestimmter Gegenstände, die Boni bringen) oder eben ein Monster, das es sodann zu bekämpfen oder elegant zu umschiffen gilt.

Munchkin gründet in erster Linie auf dem Bekämpfen der Monster. Alle anderen Karten erschweren oder erleichtern dies kurz gesagt nur. Nach einem erfolgreichen Kampf bekommt der siegende Spieler eine zusätzliche "Stufe" und eventuell ein paar "Schätze" - Karten vom Stapel. Es gewinnt, wer zuerst die zehnte Stufe erreicht hat.

Das eigentlich Interessante an Munchkin ist (wie so oft) die Interaktion zwischen den Spielern. Ist ein Monster zu stark, kann man seine Mitspieler um Waffenhilfe bitten. Wie in jedem Handel gilt es auch hier, zu feilschen - vorrangig um die Schätze, die im Falle eines Sieges zu holen sind. Dabei ist stets zu beachten, daß "im Normalbetrieb" nur der Spieler am Zug eine Stufe gewinnen kann und man seinen Mit- und Gegenstreitern bisweilen ungewollt Vorteile auf Kosten der eigenen Position verschafft.

Natürlich kann man sich auch gegenseitig Steine in den Weg legen, indem man mit den entsprechenden Karten nicht dem Spieler, sondern dem Monster hilft oder, sofern man der richtigen Klasse angehört, seinen Freunden "in den Rücken fällt", also Stärkepunkte und Gegenstände stiehlt - nicht umsonst trägt das Spiel den Untertitel "Töte die Monster - Klau ihren Schatz - Erstich deine Kumpel".

Dahinter verbirgt sich vor allem eine beißende Satire auf Rollenspiele, die gänzlich nur nachvollziehen kann, wer schonmal welche gespielt hat - und zwar echte, mit echten Menschen und vor allem einem echten Spielleiter, nicht nur auf dem Computer. In dieser Hinsicht habe ich persönlich auch nur sehr wenig Erfahrung, aber die genügt immerhin, um über Munchkin schmunzeln zu können - obwohl das auch ganz ohne Erfahrung gelingen dürfte, sind die Karten doch ansprechend comichaft illustriert und nicht arm an lustigen Details (Text).

Geradezu genial an Munchkin ist, daß es auch Leuten mit Vorbehalten gegenüber Rollenspielen (mir zum Beispiel) ermöglicht, welche zu spielen, ohne sozusagen "in Verruf" zu geraten: Man kann gar nicht anders, als sich die ganze Zeit darüber zu belustigen, und doch ist die Freude groß, daß jemand diese Halbwelt in ein handliches Kartenspiel gegossen hat und man seinen Horizont etwas erweitern konnte. Glücklicherweise ist Munchkin auch wesentlich zeitökonomischer als seine "großen" Verwandten - und zweifellos viel, sehr sehr viel witziger.

Soviel Spiel auf knapp zweihundert Karten (Grundspiel) hat auch seinen Preis; durch die steigende Popularität sowie die zunehmenden Erweiterungen sinkt der aber seit einiger Zeit kontinuierlich. Zuletzt kostete Munchkin etwa dreizehn Euro.

Natürlich fehlen auch hier keine Erweiterungen; vielmehr scheint es, als ob es inzwischen schon diverse Klone (aber aus demselben Verlag) gibt - Munchkin im Weltall, Munchkin tötet, Munchkin beißt, oder so ähnlich. Es lohnt sich, genau hinzuschauen, ob es sich um eine Erweiterung handelt oder ein eigenständiges Spiel - in Form des Grundspiels im neuen Kleid.

mp