Selbstsicher grinst er mir entgegen, der �Amor als Sieger� mit den pr�chtigen grauen Fl�geln. Sein Blick ist unversch�mt, aber so charmant!

Die Pose ist ungew�hnlich, fast akrobatisch. Er st�tzt die Zehenspitzen des rechten Fu�es auf den Boden und hat das linke Bein angewinkelt auf den h�fthohen Tisch gelegt. Der rechte Arm h�lt zwei Pfeile, der linke ist hinter den K�rper gedreht. Den braunen Lockenkopf neigt Amor keck zur Seite. Ich staune, wie lebendig er ist, ein quirliger Hitzkopf. Die Schamlosigkeit, mit der er seine Nacktheit pr�sentiert, mu� damals - Anfang des siebzehnten Jahrhunderts - f�r Emp�rung gesorgt haben. Das Licht bringt seinen K�rper zum Strahlen, aber nicht weil er irgendwie �bernat�rlich w�re, sondern weil nackte Haut im Licht eben strahlt. Neben den dunklen Schatten wirkt das Licht umso w�rmer und erhellt die Szene genug, um sogar Amors dreckige Fu�n�gel zu erkennen. Dreckige Fu�n�gel aber sind sehr irdisch.

Hinter Amor sieht man ein heilloses Durcheinander von Gegenst�nden, die sich wie hingeworfen auf Boden und Tisch t�rmen: Neben verschiedenen Musikinstrumenten, einem Winkelmesser, Stift und Buch erkennt man Krone und Zepter, R�stung und Lorbeer. Einige der Gegenst�nde lassen sich als Attribute der �Artes liberale� deuten, der freien K�nste, �ber die im Altertum und sp�ter im Humanismus ein freier Mann verf�gen sollte: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astrologie.

Das Chaos zu Amors F��en erinnert an ein Vanitas-Stilleben: Alles Irdische ist verg�nglich und damit nichtig. Amor hat alles umgeworfen, Amor triumphiert: �Seht her, was n�tzt Euch Euer eitles Streben, wenn Euch die Liebe doch jederzeit dazwischenfunken kann?� Die Liebe siegt �ber das weltliche Dasein, siegt �ber Krieg, milit�rischen Ruhm, Wissenschaft und Kunst.

Nat�rlich f�hlten sich einige Zeitgenossen von Caravaggios Darstellung beleidigt, die aus der mythologisch-entr�ckten Gestalt des Amor einen so unversch�mten, selbstbewu�ten Knaben macht. Baglione hat Caravaggio das Gem�lde �Der himmlische Amor besiegt den irdischen Amor� 1602/03 zur Antwort gegeben: Ein �berirdisch strahlender Amor in feinster R�stung ist kurz davor, einem sch�bigen irdischen Menschenamor den Todessto� zu versetzen.

Die beiden Gem�lde h�ngen in unmittelbarer N�he zueinander in der Gem�ldegalerie Berlin. Wenn ich sie so sehe, kann ich mir ein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen: Caravaggios Amor l��t sein himmlisches Alter ego auf dem Gem�lde von nebenan bla� erscheinen.

Und ich ertappe mich dabei, wie ich leise zu ihm sage: �Du hast so recht.�

aw