SEPTEMBER
2005

 
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KUNST




Goya in Berlin


Francisco de Goya, "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer", Capricho Nr. 43, 1797

"Goya - Prophet der Moderne"
Ausstellung in der Alten Nationalgalerie, Berlin
bis 3. Oktober 2005

Siehe auch:
Goyas Schauervisionen
Goya, "Die Erschießung der Aufständischen"

Noch bis zum 3. Oktober zeigt die Alte Nationalgalerie in Berlin eine herausragende Sammlung der Werke Goyas. Es ist das erste Mal, dass dem spanischen Maler in Deutschland eine Einzelausstellung gewidmet wird, und kein Kunstinteressierter sollte sich diese Chance entgehen lassen.

Betritt man nach dem Gang durch das eindrucksvolle Treppenhaus der 2001 nach einer längeren Generalsanierung wiedereröffneten Alten Nationalgalerie den Hauptsaal der Ausstellung, so leuchten einem als erstes satte Farben entgegen. Die hier ausgestellten Teppiche stammen aus Goyas Zeit als Hofmaler und dienten zur Dekoration der Wände des Königspalastes. Neu war, dass sich Goya nicht nur auf Szenen des höfischen Lebens beschränkte, sondern auch ganz alltägliche Szenen wie die des "Verletzten Maurers" (1786-1787) darstellte. Auch der berühmte "Sonnenschirm" von 1777 findet sich unter den Exponaten. Neben den Teppichen sind zum Teil auch die "Kartons" genannten maßstabsgetreuen Vorarbeiten ausgestellt, die zu ihrer Entstehung selbst freilich nicht als Kunstwerke galten.

Der zweite große Saal der Ausstellung widmet sich Goyas Porträtarbeiten. Es lohnt sich, etwas vor den Gesichtern zu verweilen, zeigt sich in ihnen doch eine feinfühlige Psychologie.

Die eigentliche Größe der Kunst Goyas erblickt man paradoxerweise jedoch erst, wenn man die großen Ausstellungssäle verlässt und sich in den niedrigdeckigen Rundgang begibt, dort, wo die kleinen Bilder hängen. Denn Goya hat sein wahres Genie erst entfaltet, als er sich vom Hof verabschieden konnte. Statt repräsentative Auftragsarbeiten anzufertigen, widmete er sich seiner eigenen Vorstellungswelt.

Ein Thema, das sich durch Goyas gesamte Schaffensperiode zieht, sind zunächst die Corridas, Stierkämpfe. So schuf Goya eine Serie von 33 Radierungen mit dem unübersetzbaren Titel "Tauromaquia". Sie verraten eine große Faszination für den spanischen "Volkssport", wobei jedoch auffallend häufig der Stier der Stärkere ist. Den Wahnsinn der Corridas scheint Goya jedenfalls erkannt zu haben, wenn die Menge entfesselt in die Manege stürzt und selbst dann noch lacht, wenn Torreros und Zuschauer vom Stier auf die Hörner genommen werden.

Nachdem sich Goya vom Hof abgewandt hatte und sich mehr und mehr den Ideen der Französischen Aufklärung öffnete, werden seine Bildschöpfungen zunehmend kritischer. So zeigt die Ausstellung zahlreiche Blätter von Goyas 1798 abgeschlossener Druckserie "Caprichos" (Launen), die den menschlichen Eitelkeiten mit beißender Zynik zu begegnen weiß. Doch die "Caprichos" offenbaren auch die düstere Seite von Goyas Vorstellungskraft. Zunehmend bevölkern Gestalten der Finsternis seine Zeichnungen, grauenhafte Geschöpfe, wie sie nur eine starke persönliche Obsession hervorbringen kann. Das berühmteste Blatt der Serie, "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" (1797), zeigt den Dichter, wie er im Schlaf die Phantasie nicht mehr durch die Vernunft kontrollieren kann und den Geschöpfen seiner Vorstellung hilflos ausgeliefert ist. So beansprucht Goya denn auch für viele seiner Bildkreationen, dass sie aus seinen Träumen entstanden sind.

Diese dunkle Linie führt sich in Goyas letzter druckgraphischen Serie "Disparates" (Torheiten) fort, die er 1824 abschloss. Hexen, Monster und Geister sind die Akteure seiner Bildschöpfungen. Das Beklemmendste an ihnen ist wohl, dass ihr Sinn sich dem Betrachter nicht mehr erschließt. Die von Goya geschaffenen Titel tragen eher noch zur Verwirrung bei, als dass sie sie auflösen würden. In dem Blatt "Lächerliche Torheit" etwa sitzen in Decken gehüllte Menschen auf einem Ast mitten im Nichts. Der Sinn ist nicht mehr auflösbar.

Die Ausstellung, die in Kooperation mit dem Museo del Prado in Madrid entstanden ist, zieht anschließend weiter ins Kunsthistorische Museum in Wien.

aw