| Das erste Bild, „Offizier der Gardejäger beim Angriff“, ist 1812 entstanden. Es zeigt einen säbelschwingenden Soldaten der napoleonischen Armee auf seinem Pferd, welches  sich gerade heftig aufbäumt. Pferd und Soldat zeichnen eine gegenläufige Bewegung nach: Während  das Pferd  nach vorne stürzt, wendet sich der Reiter  nach hinten; das Pferd dreht sich zur linken Bildseite, der Reiter zur rechten. Der Eindruck einer fast schon schmerzhaften Bewegung wird   durch  die Übersteigerung des Motivs noch verstärkt. Denn die Haltung von Pferd und Reiter ist übertrieben; der Soldat verrenkt so heftig seinen Oberkörper, dass er kaum fest im Sattel sitzen dürfte.
 Dadurch, dass das  Kriegsgeschehen rund um den Reiter  stark verkleinert und an den Rand gerückt ist, konzentriert sich  das gesamte Thema des Bildes  in der Figur. Dieser Effekt wird dadurch gesteigert, dass das Werk  auf die Dimensionen des Pferdes zugeschnitten ist, welches  die   Ränder berührt und so den gesamten Bildraum bestimmt. Auffällig ist, dass der Soldat seltsam in sich gekehrt wirkt. Der Dynamik seiner Bewegung entspricht kein heroischer Blick, wie man ihn erwarten würde. 
          
            | Zwei Jahre später hat   Napoleon  abgedankt, die  Bourbonen sind zurück an der Macht. Nach den propagandistischen, militärischen Themen der napoleonischen Ära entstehen nun vermehrt Genre-, Landschafts- und Porträtbilder.  „Der verwundete Kürassier“ zeigt zwar noch eine Militärdarstellung – die im Hintergrund angedeutete, anonyme Masse kämpfender Truppen  weist  die Szene als Kriegsschauplatz aus –, verzichtet aber  auf jegliche Glorifizierung. Dies offenbart sich bereits in der Faktur, die skizzenhafter als bei dem  Bild von 1812 ist und die Szene dadurch natürlicher erscheinen lässt.  |  |  |   Noch augenscheinlicher als die formalen sind  die motivischen Unterschiede. Der in sich gekehrte Blick des verwundeten Kürassiers, der dem des Gardeoffiziers gar nicht so unähnlich ist,  spiegelt  sich diesmal auch in der Körperhaltung wider. Vom Pferd gestürzt, ist er eine gefallene Gestalt, ein negativer Held, der  die Besonderheit seines Status verloren hat – sein Pferd, die Beteiligung am Kriegsgeschehen.   Eine  sichtbare Wunde trägt er nicht, so dass es fast scheint, als wolle er sich nur ausruhen oder als habe er keine Lust mehr zu kämpfen. Im Gegensatz zum Medaille-dekorierten „Gardeoffizier“ fand dieses Bild beim Publikum wenig Anklang. Trotz der deutlichen Unterschiede haben beide Bilder jedoch auch viel gemeinsam. Beide zeigen eine einsame Gestalt auf einem  monumentalen Großformat (etwa 3 x 2 m das erste, 3,5 x 3 m das zweite Bild).  Statt einer episodischen Erzählung zeigen sie nur mehr ein Fragment, bestimmt zudem weniger durch eine Handlung, sondern durch die bloße Präsenz der Figur. Diese genügt zur Darstellung des Krieges, der kaiserlichen Armee und der napoleonischen Legende – erst, im Fall des  Gardejägers, in all ihrer Dynamik, dann, beim Kürassier, als gefallener Stern. Doch auch der Gardeoffizier weist mit seinem seltsam abwesenden Blick bereits einen Störfaktor auf, der ihn gar nicht so weit entfernt erscheinen lässt vom resignierten Soldaten, zwei Jahre danach. awAbbildungen: 
 
          Jean Louis Théodore Géricault (1791-1824), „Offizier der Gardejäger beim Angriff“ (1812), Öl auf Leinwand, 292 x 194 cm, Musée  du Louvre, Paris.Jean Louis Théodore Géricault (1791-1824), „Der verwundete Kürassier“ (1814), Öl auf Leinwand, 358 x 294 cm, Musée du Louvre, Paris.
 
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