OKTOBER
2002

 
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KUNST


Max Liebermann und die Liebermann-Villa

Straßenfront der Villa mit ionischen Säulen und Inschrift
HIER WOHNTE UND WIRKTE MAX LIEBERMANN

Die Werkausstellung "Liebermann kommt nach Hause - Eine Dokumentation" ist noch bis 17. November 2002 jeweils freitags bis sonntags geöffnet.

Anschrift: Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V.; Colomierstraße 3; 14109 Berlin-Wannsee


Siehe auch:
www.im-netz.de/liebermann

Im Rahmen des Tags des offenen Denkmals ist am 7. September erstmals die Liebermann-Villa in Berlin-Wannsee einer bereiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, nachdem sie nach jahrzehntelanger Nutzung durch verschiedene Einrichtungen im August endlich in die Trägerschaft der Max-Liebermann-Gesellschaft übergegangen war. Noch bis 17. November wird dort die Werkausstellung Max Liebermann kommt nach Hause zu sehen sein. Aus diesem Anlaß sollen hier Maler und vor allem die Villa mit ihrer Geschichte vorgestellt werden.

Max Liebermann wurde als Sohn einer alteingesessenen jüdischen Fabrikantenfamilie am 20. Juli 1847 in Berlin geboren. Nach dem anfänglichen Besuch der privaten Zeichenschule Carl Steffeks, studierte er in Berlin und ab 1869 in Weimar sowohl Philosophie als auch Malerei. Die Begegnung mit Mihály Munkácsy und eine Reise nach Holland prägten Liebermanns realistischen Stil, der in Thematik und Wirklichkeitsnähe vom niederländischen Genrebildern abhängig, jedoch wegweisend für die Zeit war.

Von 1876 an verbrachte er die Sommer fast regelmäßig in Holland. Bis zur Jahrhundertwende entstanden eine Vielzahl von Milieuschilderungen. Nachdem er zunächst rein konservative realistische Bilder gemalt hatte, hellte sich die Palette Liebermanns ab dem Ende der achtziger Jahre zusehends auf. Gleichzeitig verflachte das realistische Pathos seiner Darstellungen unter dem zunehmenden Einfluß des Impressionismus. Zu einem wirklichen Impressionisten avancierte der Künstler jedoch erst gegen Ende des Jahrhunderts, nach der Gründung der Berliner Secssion, deren Präsident er ab 1898 war.

Mit seinem 60. Geburtstag wurden Liebermann die alljährlichen Sommeraufenthalte in seiner "Malheimat" Holland langsam zuviel. So erwarb er 1909 in der sich im Entstehen befindlichen Villenkolonie Alsen ein großes Wassergrundstück am Wannsee. Architekt des Hauses war Paul Baumgarten, der bereits die Villa Hamspohn auf dem Nachbargrundstück errichtet hatte.

Zur Straßenseite hin dominieren die hohen ionischen Säulen, die den Eindruck entstehen lassen, daß sich hier in der Mittelachse der Haupteingang befände, und dem Sommerhaus zudem einen herrschaftlichen Charakter verleihen. Der tatsächliche Eingang befindet sich eher unscheinbar an der nördlichen Schmalseite und liegt somit - nicht ganz ohne Symbolik - unter dem großen Atelierfenster. Die Seeseite ist mit einer kleinen Loggia und zwei abgestuften Terrassen mit dem Garten verklammert. Von dort geht der Blick auf den Großen Wannsee und die gegenüberliegende unbebaute Uferlandschaft hinaus.

Das Innere der Villa ist klar unterteilt. Im Erdgeschoß befinden sich die offiziellen Räumlichkeiten. Hierzu zählen die Diele, die eher als Wohn- und Empfangszimmer zu bezeichnen wäre und die gleichen Ausmaße wie der zur Seeseite hinausgehende Salon aufweist, zudem das Speisezimmer und die Küche. Im Obergeschoß liegen Schlafräume, Bad und das Atelier. Es ist weniger wohnlich und repräsentativ als dasjenige im Liebermanns Stadtpalais am Pariser Platz neben dem Brandenburger Tor. Da es lediglich dem Überarbeiten der Freilichtbilder bei schlechtem Wetter diente, war es völlig - wie alles im Leben Liebermanns - auf seine künstlerische Arbeit zugeschnitten und nach Norden selbstverständlich mit einem großen Atelierfenster ausgestattet.

Für die Gestaltung des Gartens durch Alfred Brodersen wurde der als Garten-Reformer bekannte Leiter der Hamburger Kunsthalle Alfred Lichtwark hinzugezogen. Trotz der Größe des Anwesens von fast 7000 Quadratmetern erinnert nichts an einem malerischen Landschaftspark. Sanft modellierte Geländeschwünge in denen sich fließend die Wege dahinziehen, wie sie die Lenné-Meyersche Gartenkunst lehrte, galten zu jener Zeit als altmodisch und waren in gebildeten Kreisen nahezu verpönt. So zeigt sich das Areal in klaren, beinahe strengen Formen. Die sich zum Wasser hinziehende glatte Rasenfläche des Seegartens wird beidseitig durch parallele Kieswege flankiert. Lediglich die Birkenpflanzungen im Süden und am Ufer bringen eine gewisse Dynamik und setzen einen Bezug zur märkischen Landschaft. Die Nordseite des Seegartens ist durch drei von Hainbuchenhecken gebildete "gründe Zimmer" streng geometrisch gegliedert.

Ähnlich stringent ist die Unterteilung des zur Straße hin gelegenen Teils mit seitlichem Gärtnerhaus in einen Nutz- (mit Gemüsebeeten und Obstbäumen) sowie einen Blumengarten. Auch hier zeigt sich die Anlage streng geometrisch. Alleinig die bunten Staudenpflanzungen, deren wechselnde florale Pracht den Maler stets neu inspirierte, setzen ein lebendiges Gegengewicht. Solch moderne Staudengärten waren im gesamten Potsdamer Raum durch den Gartenpoëten und -philosophen Karl Foerster (1874-1970) bald weit verbreitet.

Liebermann hat von seinem mit Blumenkübeln und Bänken, einem Teehaus, einem rustikalen Bootssteg, einer Sonnenuhr und dem Fischotterbrunnen von August Gaul ausgestatteten Garten mehr als 200 Bilder aus den verschiedensten Blickwinkeln angefertigt. Sie gelten als hervorragende Dokumente seiner reifen Meisterschaft. Mit diesen Darstellungen hat Liebermann, bereits siebzig- und achtzigjährig, den Höhepunkt seiner koloristischen Kraft erreicht.

1920 war Liebermann zum Präsidenten der Preußischen Akademie der Künste berufen worden und hatte der jungen Künstlergenaration viel Raum für neue Entwicklungen verschafft, auch wenn er diese selbst nicht immer zu schätzen wußte. Mit der Machtergreifung Hitlers gezwungen, das Präsidium der Akademie niederzulegen, wurde ihm auch die Ehrenbürgerschaft aberkannt. Verfemt starb er am 8.2.1935.

Im Jahre 1940 wurde Liebermanns Witwe Martha zum Verkauf des Anwesens gezwungen. Die Reichspost richtete hier ein Erholungsheim für ihre Mitarbeiterinnen ein. Martha Liebermann entzog sich 1943 der Deportation ins KZ Theresienstadt durch Selbsttötung.

Nach dem II. Weltkrieg richtete der Bezirk Zehlendorf hier zusammen mit der benachbarten Villa Hamspohn einen Krankenhausteilbereich ein. Um aus dem Atelier einen Operationssaal zu machen, wurden im Obergeschoß des Hauses einige Wände herausgerissen. Im Rahmen der Wiedergutmachung ging das Anwesen 1951 zurück ins Eigentum der Tochter des Künstlers. 1958 verkauften es dann ihre Erben an die Stadt Berlin, die das Krankenhaus dort weiterhin bis 1970 betrieb.

Bereits 1971/72 wandte sich der Architekturhistoriker Julius Posener vergeblich an die Berliner Akademie der Künste mit dem Vorschlag, in der Liebermann-Villa eine Stätte der Erinnerung an den großen Maler und Ehrenbürger der Stadt einzurichten. Statt dessen wurde sie leider einem Tauchclub (DUC e.V.) verpachtet.

Im März 1995 wurde dann im Zusammenhang mit der Wiedererrichtung des Liebermann-Hauses am Pariser Platz die Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V. gegründet. Leider konnte diese die vorzeitige Verlängerung des Pachtvertrages mit dem DUC bis 2015 nicht verhindern. Jedoch führten die Proteste zu einem Umdenken bei den Behörden. Die Villa wurde noch 1995 unter Denkmalschutz gestellt. 1997 beschloß das Berliner Abgeordnetenhaus ihre museale Nutzung. Der Senator für Wissenschaft und Kunst wurde angewiesen, sofortige Verhandlungen mit dem Bezirk Zehlendorf über ein Tauschgrundstück für den DUC aufzunehmen.

Erst nach Auszug des Tauchclubs im August 2002 konnte begonnen werden, das bereits im Herbst 2000 erarbeitete Nutzungskonzept umzusetzen. Zwar haben die Wassersportler das Haus gut instand gehalten, doch hat die bisherige Nutzung ihre Spuren hinterlassen. Ziel ist der Umbau des Hauses und die Restauration bzw. Neuanlage des zerstörten Gartens. Durch die überlieferten Photos und Planzeichnungen sowie die zahlreichen Gemälde Liebermanns ist eine nahezu identische Wiederherstellung der denkmalgeschützten Anlage möglich. Auch der Rekonstruktionsvorschlag für die Villa bemüht sich um weitgehende Schonung der baulichen Grundsubstanz. So soll das Erdgeschoß zu einer Gedenkstätte mit Photodokumenten, Orden, Urkunden, Briefen und anderen persönlichen Gegenständen Liebermanns, ergänzt durch einen Vortragsraum und Café, werden. Das Obergeschoß soll Werke des Malers beherbergen, ohne die Geschichte des Hauses aus der Zeit des Krankenhauses und Tauchclubs gänzlich zu beseitigen.

Somit ist eine kleine Museums-Oase geplant, ein Ensemble aus Künstlerhaus und Garten, dessen Café im Sommer als beliebtes Ausflugsziel einladen wird. Daß dies schon heute anspricht, zeigte das rege Interesse der BesucherInnen in Rahmen des Tags des offenen Denkmals. Die Werkausstellung "Max Liebermann kommt nach Hause" zeigt nicht nur die wechselhafte Geschichte der Villa und die Pläne für die Zukunft, auch Pastelle vom Garten und originale Graphiken, August Gauls Fischotter-Plastik und die Liebermann-Büste Georg Kolbes sind zu sehen.