MAI
2002

 
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LITERATUR



Lily Brett: "Zu viele Männer"
Lily Brett
"Zu viele Männer"
Suhrkamp Taschenbuch

Ruth Rothwax schreibt Briefe für andere Leute - Dankesbriefe, Einladungsbriefe, Trauerbriefe oder auch Geschäftsbriefe. Damit verdient die 43-jährige Frau in New York ihr Geld - ziemlich viel Geld sogar. Deshalb kann sie sich es auch leisten, sich mit ihrem Vater, der in Melbourne lebt, in Polen zu treffen und ihn zu einer Reise in die Vergangenheit einzuladen.

Ruth ist die Tochter jüdischer Eltern aus Polen, die als einzige der Familie den Holocaust im Konzentrationslager überlebt haben. Die Mutter ist inzwischen gestorben und so macht sich Ruth nur noch mit ihrem Vater auf die Reise von Warschau über Lodz nach Krakau und Auschwitz. Sie ist äußerst gestresst, während der 82-jährige Vater, der ja viel unmittelbarer betroffen und berührt ist, der gelassenere der beiden ist. Die beiden besuchen unter anderem das Geburtshaus des Vaters, das Gebiet, wo sich damals das Warschauer Ghetto befand, und natürlich das Konzentrationslager Auschwitz.

Es sind natürlich immer schmerzliche Besuche, dennoch ist diese Geschichte keine todtraurige Geschichte. Denn das Verhältnis von Vater und Tochter ist ein wichtiges Thema in diesem Roman. (wie auch schon in den anderen Romanen von Lily Brett) Die beiden sind sehr verschieden, aber dennoch sehr miteinander verbunden. Dadurch kommt es auch immer wieder zu komischen Situationen, die sich viel ums Essen oder um Autos, insbesondere Mercedes, drehen.

Das Buch „Zu viele Männer“ ist übrigens politisch ziemlich inkorrekt, ist doch Ruth die absolute Polenhasserin. Man erwartet vielleicht zu Beginn des Buches, dass das gegen Ende etwas reflektiert wird, doch dem ist nicht so. Ruth bleibt Polenhasserin, obwohl sie bis auf eine große Ausnahme wenig Grund dazu bekommt. Ein Umstand, der mich zunächst etwas irritiert hat, doch im Zusammenhang des Buches durchaus so stehen gelassen werden kann.

„Zu viele Männer“ ist der jüngste auf deutsch erschienene Roman von Lily Brett. Leser(innen) der vorherigen Bücher (Einfach so, Zu sehen und New York) werden viele Charaktere wiedererkennen, denn die Vater und Tochter-Figuren tauchen immer wieder bei Lily Brett auf.

Brett ist 1946 in Deutschland geboren, ihre Eltern heirateten im Ghetto von Lodz und überlebten beide das KZ Auschwitz. 1948 übersiedelte die ganze Familie nach Australien. Heute lebt Lily Brett in New York.

sf