|  Diese Frau ist ein Besitz - dieses merkwürdige 
          Zitat von Alfred Kerr ist das Motto der zur Zeit im Münchner Literaturhaus 
          (am Salvatorplatz) zu sehenden Ausstellung über die relativ unbekannte 
          Dramatikerin Marieluise Fleißer. Sie wurde am 23.11.1901 in Ingolstadt 
          geboren, wo sie auch 1974 starb. In der Münchner Ausstellung zu 
          Ehren ihres 100.Geburtstages begegnet der Besucher vielen Zitaten über 
          Marieluise Fleißer, die berühmten Zeitgenossen und Weggefährten 
          entstammen. 
 Gleich am Eingang ist Walter Benjamin zu lesen: Die Fleißer 
          hat am Sprachkleid die Spuren der Ingolstädter Mauern, die sie 
          streifte. Ihre Heimatstadt Ingolstadt spielt in ihrem dramatischen 
          Werk und ihre Erzählungen tatsächlich eine wichtige Rolle. 
          Sie versucht sich darin vom Kleingeist ihrer Zeit zu befreien.
 
 In den 20er Jahren verließ die Fleißer ihre bayrische Heimat 
          und bewegte sich in der Berliner Literaten und Avantgardeszene. So stößt 
          der Ausstellungsbesucher auf Bertolt Brecht, dessen Geliebte sie Ende 
          der 20er Jahre war, ein Status, den sie sich mit vielen Frauen teilen 
          musste. Mit seiner Unterstützung gelangte 1928 auch ihr erstes 
          Stück Pioniere in Ingolstadt auf die Bühne, uraufgeführt 
          im Theater am Schiffbauerdamm, heute das Berliner Ensemble. Das Stück 
          sorgte für grosses Aufsehen. Vor allem in ihrer Heimatstadt zeigte 
          sich große Empörung. Aber auch Brecht liess sie seine Kritik 
          spüren. Sie distanzierte sich daraufhin von ihm.
 
 Lion Feuchtwanger wurde ihr neuer Mentor. Zu seinem 70.Geburtstag fasst 
          Marieluise Fleißer ihr Verhältnis zu beiden Männern 
          1954 in einem Briefentwurf so zusammen: Der Brecht, das war immer 
          ein Wunschtraum, die Realität, das warst Du.... Trotz der 
          intellektuellen Verbundenheit zu beiden heiratete sie in den 30er Jahren 
          den Schwimm- und Ruder-Leistungssportler Bepp Haindl und zog sich im 
          Dritten Reich zurück. Wie Erich Kästner lavierte sie sich 
          durchs nationalsozialistische Deutschland und nahm Abstand zur Avantgarde 
          der Weimarer Jahre.
 
 1950 begegnete sie Brecht wieder, der sie vergeblich zu überzeugen 
          versuchte, nach Ost-Berlin überzusiedeln. Anna Seghers taucht als 
          einzige Frau in dieser Ausstellung auf. Doch der Kontakt zu ihr blieb 
          knapp, Marieluise Fleißer kommentierte: Ich schreibe keine 
          Frauenbücher. Anfang der 70er Jahre, im Zuge neuer gesellschaftlicher 
          und sexueller Freizügigkeit, findet Marieluise Fleißer wieder 
          ein größeres Publikum. Rainer Werner Fassbinder verfilmte 
          fürs Fernsehen Pioniere aus Ingolstadt. In der weibliche 
          Hauptrolle glänzte Hanna Schygulla. Die Fleißer fand Anschluß 
          zu jungen linken Provokateuren wie Fassbinder, Sperr und Kroetz.
 
 Der Film Das bemerkenswerte Leben der Marieluise Fleißer 
          aus Ingolstadt aus dem Jahr 1971 belegt diesen wechselvollen Werdegang. 
          Auch die Ächtung, die sie in ihrer bayrischen Heimat erleben musste, 
          kommt hier zur Sprache. Dieser Film von Walter Rüdek ist von Montag 
          bis Freitag um 17 Uhr und am Wochenende um 14 Uhr in der Ausstellung 
          zu sehen. Auf zwei Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung sei hier 
          noch verwiesen: Am Mittwoch, 13. März lesen ab 20 Uhr im Saal die 
          Schauspielerinnen Marianne Sägebrecht und Katharina Schubert aus 
          frühen Texten von Marieluise Fleißer. Dazu tritt der bairisch 
          diatonische Jodel-Wahnsinn auf.
 
 Die Finissage der Ausstellung wird am Sonntag, den 7.April im benachbarten 
          Kaffeehaus Dukatz ab 11 Uhr mit einer musikalisch-literarischen Collage 
          aus Stücken, Briefen und Erzählungen zelebriert. Werke der 
          Marieluise Fleißer sind beim Suhrkamp-Taschenbuch-Verlag verlegt. 
          Auch gibt es zu der Ausstellung einen Katalog. Infos zur Ausstellung 
          finden sich unter www.literaturhaus-muenchen.de.
 
 Mögen viele Marieluise Fleißer nach ihrem 100.Geburtstag 
          wiederentdecken  Prachtvoll bleibt sie, wertvoll bleibt 
          sie (Alfred Kerr).
 
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