JUNI
2008

 
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LITERATUR

RUND VS. SPITZ
Die Frakturschrift

Dass dieser Artikel in einer serifenlosen Antiqua-Schrift zu lesen ist, ist nicht so selbstverständlich, wie man meinen könnte. Vor dem ersten Weltkrieg wäre er wahrscheinlich eher in Frakturschrift erschienen. Was hat es also mit dieser Schriftart, die man z. B. noch aus alten Gebetsbüchern kennt, auf sich?


In der gängigen Schriftklassifikation wird zwischen drei Schriftgattungen unterschieden: die Antiqua, die gebrochenen Schriften und alle anderen, nicht-römischen Schriften (z. B. kyrillisch, arabisch, hebräisch). Die Einteilung der Schriften stützt sich auf die Formmerkmale ihrer Buchstaben, wie die Proportionen, die Form der Serifen und der Bögen etc. Die gebrochenen Schriften zeichnen sich durch Ecken und spitze Winkel aus. Daher auch der Name "gebrochene Schriften". Sie stammen von den gotischen Buchschriften (ca. 13./14. Jh.) ab. Dagegen bevorzugt die Antiqua (von lat. antiquus = alt) runde Bögen und setzt sich damit von den gotischen Schriftformen ab, indem sie ältere Schriften wieder aufgreift. Sie stammt aus der humanistischen Tradition der frühen Renaissance.

In Deutschland dominierte jedoch zunächst für lange Zeit die gebrochene Schrift. Eine wichtige Art der gebrochenen Schrift ist die Fraktur (lat. fractura = Bruch), die auch als "deutsche Schrift" bezeichnet wird. Sie greift Elemente aus der Buchkalligraphie und aus Kanzleischriften auf und verbindet sie mit Merkmalen der gotischen Schrift. Charakteristisch sind das lange s, das einem f gleicht, die Ähnlichkeit zwischen k und t sowie x und r. Außerdem ist sie, kursiven Schriften ansatzweise vergleichbar, leicht geneigt. Die Entstehung der Schrift wurde wesentlich durch Maximilian I. zu Beginn des 16. Jahrhunderts gefördert.

Ihre große Popularität verdankt sie der Tatsache, dass sie für zahlreiche Schriften Luthers und seine deutschsprachige Bibel verwendet wurde. Deshalb galt sie fortan als die deutsche Schrift schlechthin. Der Antiqua eilte dagegen der Ruf voraus, die Schrift der Gelehrten und der Gegenreformation zu sein. Mit ihr wurden v. a. Fremdsprachen, insbesondere lateinische Texte, gesetzt. Auch während der napoleonischen Kriege war die Verwendung von Schrift ein Politikum: Die Antiqua war französisch und damit feindlich konnotiert, wohingegen die Fraktur weiterhin die deutsche Schrift war. So konnte sich die Antiqua folglich kaum durchsetzen.

Dies blieb auch noch bis 1941 so. Und noch heute haftet der Frakturschrift eine deutschtümelnde Note an, da sie in nationalsozialistischem Propagandamaterial verwendet wurde. Paradoxerweise wurde sie aber dann von den Nationalsozialisten selbst verboten, mit dem Argument, sie sei bei der Einführung des Buchdrucks von den Juden, die damals in Besitz der Druckereien gewesen seien, geschaffen worden. Ebenso erging es der deutschen Süterlinhandschrift. Stattdessen wurden die Antiqua-Schriften als Normalschrift eingesetzt, wobei es bis heute im Wesentlichen geblieben ist.

Heute ist die Fraktur nur noch in wenigen Druckerzeugnissen zu sehen ist. Zwar wurden nach dem 2. Weltkrieg vereinzelt noch Klassiker in Fraktur gedruckt. Auch behielten einige Zeitungen die Fraktur relativ lange zumindest für den Titel bei (Neue Züricher Zeitung, FAZ). Dennoch ist heute die Antiqua der Normalfall geworden. So kam es dazu, dass auch die Times New Roman, eben eine Antiqua-Schrift, die fast jeder durch ihre Verbreitung über den Computer kennt, zu einer der bekanntesten Schriften werden konnte. Ihr Name geht in der Tat darauf zurück, dass sie 1932 für die Londoner Times neu entwickelt wurde.

bk

Abb.: Urkunde von 1768 in Frakturschrift; lateinische und französische Wörter sind in Antiqua gesetzt.

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