FEBRUAR
2006

 
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LITERATUR


Zu Tisch bei Maupassant, Flaubert, Zola und Balzac

 


Neben einem guten Essen für das leibliche Wohl, ist für die meisten auch die Versorgung der geistigen Seite wichtig, z. B. mit Literatur. Nicht selten aber handelt diese wiederum vom leiblichen Wohl. So findet man in der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts immer wieder ausführliche und detailgetreue Darstellungen der zum Teil ausschweifenden Essgewohnheiten der Protagonisten.

Suppe, Austern aus Ostende, eine rosa Forelle, zarte, leichte Lammkoteletts auf einem üppigen und feinen Bett aus Spargelspitzen, Rebhühner mit Wachteln, Erbsen, danach eine Gänseleberpastete begleitet von einem Salat mit gezackten Blättern.

Wer ob dieser opulenten Aufzählung an ein Kochbuch denkt, der hat weit gefehlt. Hier liest man lediglich die Speisen, die in einem Ausschnitt aus Maupassants Roman "Bel Ami" aufgezählt werden. Und Maupassant ist nicht der einzige und der ausschweifendste, was die geschilderten Gaumenfreuden in Romanen angeht. Auch bei Flaubert, Zola oder Balzac wimmelt es nur so von Trüffeln, Mousse au chocolat, Krevettensalat und anderen Delikatessen und raffinierten Zubereitungsarten mehr. Ganze Speisenfolgen und Feinschmeckermenüs werden detailliert aufgezählt und beschrieben.

Dabei propagieren die Autoren häufig die Überlegenheit der "Grande cuisine", an der im 19. Jahrhundert auch das Bürgertum mit Stolz teilzuhaben beginnt. Teilweise wird jedoch auch die Provinzküche des Landlebens aufgegriffen und in ihrer Natürlichkeit und Einfachheit romantisiert. Gleichzeitig liefern die Autoren damit wichtige sozialgeschichtliche Dokumente. Neben der Ausschmückung der Mahlzeiten selbst, kann man nämlich angefangen von den Manieren, den Etiketten, Essenszeiten und Tischsitten bis hin zu Tafeldekoration, Speisenfolge, Restaurants, räumlicher Ausstattung und Gegebenheiten in unterschiedlichen sozialen Schichten aus den Romanen viele interessante Details über die Essgewohnheiten des 19. Jahrhunderts herauslesen. So wurde z. B. Anfang 19. Jahrhundert Zucker aufgrund der "Zuckerrevolution" - Zucker wurde nun billiger aus Rüben und nicht mehr aus dem teuren Importgut Zuckerrohr gewonnen - erschwinglicher und tritt häufiger als Süßungsmittel auf. Das Dessert etabliert sich, Konditoreien erfahren einen großen Aufschwung. Und so wird auch immer mehr die Nascherei, die v. a. den Frauen zugeschrieben wird, in den Romanen thematisiert. Felicité, die Haushälterin in Flauberts Roman "Mme Bovary" isst den Zucker z. B. roh, der Apotheker im selben Roman hält einen Vortrag über Saccharum, etc.

Wie aber ist es um die Ernährungsgewohnheiten der Autoren selbst bestellt, die ihren Romanfiguren je nach sozialem Stand entsprechende Speisen kredenzen und immer wieder ausschweifende Festmähler beschreiben? Jeder von ihnen hatte seine Eigenarten, die manchmal auch nicht unbedingt gesund waren. Balzac etwa lebte während seiner Schaffensphasen fast schon asketisch, trank dabei jedoch angeblich 40 bis 60 Tassen Kaffee pro Tag und kompensierte dies hinterher mit richtiggehender Völlerei. Flaubert aß gern und relativ normal, verarbeitet aber schließlich Schaffenskrisen durch übermäßigen Gaumengenuss, während bei Maupassant v. a. der gesellige Aspekt eines Mahls im Vordergrund zu stehen schien. Und Zola, der aus Südfrankreich stammte, behielt Zeit seines Lebens die "Bouillabaisse" als Lieblingsgericht bei.

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