JUNI
2002

 
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LITERATUR


Frank Goosen: "Liegen lernen"
Frank Goosen
"Liegen lernen"
gebundene Ausgabe: Eichborn Verlag, 2000
Hörbuch mit 3 CDs: Roof Music, 2001
demnächst auch als Taschenbuch bei Heyne

siehe auch:
www.frankgoosen.de

Wann ist ein Mann ein Mann?
... Männer weinen heimlich,
Männer brauchen viel Zärtlichkeit...

... röhrte Anfang der 80er Herbert Grönemeyer auf seinem Durchbruchs-Album "Bochum". Hier - zeitlich (80erJahre) und räumlich (NRW irgendwo zwischen Rhein und Ruhr) - beginnt auch der Debütroman von Frank Goosen.

"Liegen lernen" erzählt die Geschichte eines jungen Mannes namens Helmut. Pubertierend löst er sich von der prallen, nach altem Blumenkohl riechenden Mutter und dem introvertierten, im Hobbykeller zwischen alten Schallplatten versunkenen Vater und verliebt sich in die Schülersprecherin Britta. Mit ihrer Ausstrahlung, ihrem politischen Engagement, ihrer Leichtigkeit und dem linksliberalen Elternhaus ist Britta das genaue Gegenteil zu Helmuts kleinbürgerlich-miefigen Hintergrund.

Vor allem die Beschreibungen der 80er Jahre machen das Buch zum genußvollen Erlebnis: die Jugend, die sich zum Klönen im Teeladen am Bahnhof trifft, Tee in strumpfartigen Säckchen aufgießt und aus Nicht-Mode-Bewusstsein wieder eine Mode machte; den Mädchen, die sich an Barclay James Harvests "Hymn" und Angelo Branduardi laben; der ökologische Aufbruch, Friedensdemos und schließlich der Wendekanzler Kohl (auch ein Helmut wie der Alt-Kanzler Schmidt und der Protagonist von Goosens Buch - Zufall?).

Über diese Zeit heißt es im Klappentext zum Buch: "Auf den Illustrierten waren nackte Frauen oder Atompilze, manchmal beides, und man wußte oft nicht, was schlimmer war". Allen Lesern um die 35 werden diese liebevollen Beschreibungen im ersten Drittel des Romans - wie dem Rezensenten allerlei Erinnerungen zurückbringen - das 80er Revival literarisch aufbereitet.

Die Frauen, die Britta folgen - ob die stille Medizinstudentin Gisela, die extrovertierte Sportreporterin Gloria, die reife Geschichts-Dozentin Roberta oder die agile Steuerfachfrau Tina - alle müssen sich immer an Helmuts erster Liebe messen. Nur ganz langsam wird Helmut erwachsen, studiert zunächst leidlich Geschichte, jobbt in einem Parkhaus und will sein Leben nicht so recht in die Hand nehmen...

Wie schon beim viel besprochenen "Herr Lehmann" von Sven Regener fragt Mann sich, warum der Mann aus dieser Generation so passiv ist, sich vielmehr von Frauen, die seinen Weg kreuzen, leiten lässt. Zwischendurch gerät der Roman dabei zur lakonischen Nabelschau seines unentschlossenen Protagonisten, den wir über Mauerfall, Promotion bis in die Gegenwart begleiten. Mit der wachsenden Plattensammlung wird aus dem jungen Helmut ein Mann, der erschreckende Züge seines eigenen Vaters aufweist... Schließlich muss Helmut sich der Verantwortung einer festen Bindung und Vaterschaft stellen. Noch einmal lässt er seine Beziehungen und deren Muster Revue passieren...

Wer wissen will, ob "Liegen lernen" autobiografische Züge aufweist, findet mehr Infos über den Autor auf dessen Website (www.frankgoosen.de).

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