MAI
2008

 
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LITERATUR

ELEFANTENRÜSSEL IM SKRIPTORIUM
Die Initiale in der Buchmalerei

Kein Vergleich zwischen einem alltäglichen Taschenbuch aus heutiger Zeit und den prächtigen, handgeschriebenen Buchkunstwerken des Mittelalters. Zur künstlerischen Verzierung eines solchen Kleinods zählten nicht zuletzt die Initialen, die jeweiligen reich verzierten Anfangsbuchstaben eines Kapitels.

Vor Einführung des Buchdrucks fand die Buchproduktion meist in Klöstern statt, die oft über ein ganzes Skriptorium mit einer Reihe von Schreibern und Illustratoren verfügten. Denn es waren hauptsächlich die Mönche, die damals das Schreiben beherrschten. Ein Buch wurde nicht selten in Teamarbeit von der Vorlage kopiert, indem mehre Schreiber entweder gleichzeitig unterschiedliche Teile desselben Buchs abschrieben oder parallel nach Diktat mehrere Abschriften eines Buches angefertigten. Geschrieben wurde mit Vogelfedern; die Tinte (manchmal aus einer Mischung von Ruß und Gummiarabikum) verwahrte man in Rinderhörnern, die in die Schreibpulte eingelassen waren.

Hatten die Schreiber erst einmal ihr Werk vollendet, so kamen die Verzierungen an die Reihe, darunter die Initiale. Der Begriff stammt von lateinischen Wort initium (=Anfang) und bezeichnet den Buchstaben, der am Beginn des Kapitels oder Abschnitts steht. Dieser wurde reich verziert, teils mit kleinen Bildern illustriert und konnte sich über mehrere Zeilen erstrecken oder sogar eine ganze Seite einnehmen. Um diese Aufgabe kümmerten sich die Illustratoren, Rubrikatoren und Miniatoren. Der Begriff des Rubrikators (lat. rubrum = rot) geht darauf zurück, dass die Initialen häufig in anderen Farben vom restlichen schwarzen Text abgesetzt wurden. Der Miniator trägt seinen Namen ebenso wegen der Farbe der Miniaturen, der Mennigfarbe (lat. minium = Mennigfarbe, rote Farbe). Für besonders kostbare Ausgaben wurden die Initialen zusätzlich zur farblichen Gestaltung auch noch vergoldet.

Die ersten Initialen entstanden wohl Ende des 7. Jahrhunderts aus der Buchstabenmalerei in Handschriften. Als der Buchdruck Mitte des 15. Jahrhunderts erfunden wurde, übernahmen die Schriftsetzer die Tradition der Initialen. Sie wurden z. B. mit so genannten Elefantenrüsseln, also verzierten Aufschwüngen an den Majuskeln (Großbuchstaben), versehen. Sogar Dürer widmete sich in einem seiner Traktate u. a. der Konstruktion von Initialen. In den deutschen Frakturschriften hat sich die Gestaltung von Initialen bis ins 20. Jahrhundert gehalten, ist aber heute unüblich geworden.

Man unterscheidet in der Typographie außerdem unterschiedliche Typen von Initialen, je nach ihrer Ausführung. Eine einfache Initiale fügt sich optisch in den Satzspiegel ein. Überragende Initialen, die nach oben über den Text hinausragen, können auch mit einem Zeileneinzug gedruckt werden. Als Kassetteninitialen bezeichnet man die Initialen, bei denen der Buchstabe als weiße Aussparung auf einer gefüllten Fläche erscheint. Teilweise wurden auch einfach Majuskeln als Initialen verwendet.

Den Initialen, die ja auch einfach die Anfangsbuchstaben eines Namens bezeichnen können, ist das Monogramm sehr ähnlich. Auch das Monogramm (gr. monos = einzig, gramma = Buchstabe) war anfangs ein einzelner Buchstabe. Erst im Laufe der Zeit wurden daraus mehrere Buchstaben, die kunstvoll gestaltet zu einem Zeichen verbunden wurden. Verwendet wurden sie auf Urkunden, von Künstlern zur Beschriftung ihrer Werke (man denke an Albrecht Dürers großes A, in das sich das D wie in ein Häuschen verkriecht) oder von Studentenverbindungen. In Studentenverbindungen spricht man genauer vom so genannten Zirkel. Ab der Biedermeierzeit gehörte es zum guten Ton, sein Monogramm auf Bettwäsche, Taschentücher, Tischdecken etc. zu sticken. Doch war die Ausführung des Monogramms, zumal in seiner bürgerlichen Variante, nie so kostbar ausgeschmückt und bebildert wie die schönsten der mittelalterlichen Initialen.

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Abb.: Lateinische Bibel in der Malmesbury Abbey, Wiltshire, England

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