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LITERATUR


Mascha Kaléko: Auf nichts war Verla�. Nur auf Wunder.
Gedichte machen ist wie angeln
Nach einem elektrischen Fisch
Der funkenspr�hend auftaucht und entschwindet

Wenn die Wellen �ber mir zusammenschlagen
Tauche ich hinab, nach Perlen zu fischen

(aus �Heute ist morgen schon gestern�)
Mascha Kaléko
* 1907 Schidlow (Polen)
+ 1975 Zürich
 
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�Auf nichts war Verla�. Nur auf Wunder,� schrieb Mascha Kal�ko in ihrem Gedicht �Die fr�hen Jahre�. Wie ein Wunder erschien ihr wahrscheinlich auch der Beginn ihrer Karriere als Lyrikerin im Berlin der 30er Jahre. Sie schickte ihre ersten Gedichte an die damals anspruchsvollste Zeitung Berlins - an die �Vossische Zeitung�. Wie sie sp�ter - 1956 in einem Vortrag in Kassel - erkl�rte, wollte sie immer �alles oder nichts�. Zu ihrer gro�en �berraschung wurden ihre Gedichte unter der Rubrik �Alltagslyrik� im Feuilleton ver�ffentlicht. Im Gegensatz zu den meisten jungen Autoren hielt sich bei ihr Angebot und Nachfrage etwa die Waage - was sie schrieb wurde auch publiziert. So nahm sie 1933 auch das Angebot des Rowohlt-Verlags an, ihren ersten Gedichtband �Das lyrische Stenogrammheft� zu drucken.

1935 folgte ein zweites Buch �Kleines Lesebuch f�r Gro�e�. Die junge Dichterin verkehrte, wie die meisten Berliner Intellektuellen, im �Romanischen Caf� und dem �K�-Ka� - einem Kabarett an der Ged�chtniskirche. Doch die �paar leuchtenden Jahre vor der gro�en Verdunklung� dauerten nicht lange. Ab 1938 stand die j�dische Autorin Mascha Kal�ko mit ihren B�chern auf der �Liste des sch�ndlichen und unerw�nschten Schrifttums� - was ihrer Popularit�t jedoch keinen Abbruch tat. Ihre Gedichte wurden unter dem Ladentisch verkauft oder von Hand zu Hand weitergereicht.

Als die politische Situation in Deutschland eskalierte, emigrierte Mascha Kal�ko mit ihrem zweiten Mann Chemjo Vinaver - einem Musikwissenschaftler und Dirigenten, der sich mit chassidischer Synagogalmusik besch�ftigte - und ihrem zweij�hrigen Sohn nach Amerika. Wie viele europ�ische Einwanderer lie�en sie sich in New York nieder. Chemjo Vinaver konnte seine Arbeit weiterf�hren und gr�ndete den �Vinaver-Chor� - was der Familie einen kurzen Aufenthalt in Hollywood einbrachte. Doch Mascha Kal�ko war im Exil ihres wichtigsten Werkzeugs beraubt - der deutschen Sprache. Aus der finanziellen Notlage heraus verfa�te sie Werbeslogans f�r Unterw�sche und Toilettenartikel - im pr�den Amerika der 40er Jahre sicher keine reine Freude. Gelegentlich schrieb sie Artikel f�r die Emigrantenzeitung �Aufbau�.

1945 wurden ihre im Exil entstandenen Gedichte in �Verse f�r Zeitgenossen� im Schoenhof-Verlag in Cambridge, Massachusetts ver�ffentlicht. Das Buch war der erste und einzige deutschsprachige Lyrikband, der jemals in den USA erschien. Mascha Kal�ko schickte ihre Verse an f�r sie wichtige Zeitgenossen - wie Thomas Mann, Albert Einstein und Alfred Polgar - , die mit ihr das Emigrantenschicksal teilten. In Deutschland wurden die Gedichte erst 1958 publiziert. Sie bescherten ihr das lang ersehnte Comeback. Ihre B�cher wurden wieder aufgelegt, sie wurde zu Lesereisen und Rundfunkinterviews eingeladen. Der H�hepunkt ihrer Karriere war die Nominierung f�r den Fontanepreis 1960. Sie lehnte ab, da ihr die NS-Vergangenheit eines Jurymitglieds bekannt war. Sie konnte und wollte keinen Preis aus der Hand eines Nazis annehmen. Ihre Nachla�verwalterin Gisela Zoch-Westphal schrieb in der Biographie �Aus den sechs Leben der Mascha Kal�ko�: �Man kann nur sich selber treu bleiben. Das allerdings hat seinen Preis, bringt aber keinen.� Ein Ersatzmann war nach ihrer Ablehnung schnell gefunden. Ihre Verse gerieten in Vergessenheit. Sie siedelte mit ihrem Mann nach Jerusalem �ber, wo er seine Studien der chassidischen Synagogalmusik fortsetzte.

Die folgenden Jahre waren von beruflichen und pers�nlichen Trag�dien gepr�gt. Ein zweites Comeback schien aussichtslos. Privat wurde sie nach dem Tod ihres 31-j�hrigen Sohnes und ihres Mannes mit qu�lender Einsamkeit konfrontiert. Die Gedichte, die in diesen Jahren entstanden, sind melancholisch, bisweilen depressiv. Die sprachliche Brillanz war geblieben, aber der heitere Unterton der frechen, frivolen Verse aus den 30er Jahren war verschwunden. Ihr eigener Gesundheitszustand verschlechterte sich. 1974 trat sie ihre letzte Europareise an. Auf der R�ckreise von Berlin wollte sie einige Tage in Z�rich verbringen, bevor sie nach Jerusalem zur�ck flog. Sie sollte Z�rich nicht mehr verlassen. Am 21.Januar 1975 starb Mascha Kal�ko im Alter von 67 Jahren an Magenkrebs.

Mehrere B�cher erschienen posthum im arani-Verlag. Von ihr ist mehr �brig geblieben als �Drei schmale B�nde�, wie sie in �Kleine Zwischenbilanz� prophezeite. Ihre Lyrik gilt heute als Geheimtip, obwohl sie in der Qualit�t Tucholsky und K�stner um nichts nach steht. Gelegentlich taucht ihr Name in der Spalte �Lieblingslyriker/in� im Fragebogen des FAZ-Magazins auf; die Frauenzeitschrift �Amica� zitiert ihre Verse und �Emma� informiert uns: �Nach Mascha Kal�ko kann man bekanntlich s�chtig werden.� Stimmt!

vh