JUNI
2003

 
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LITERATUR


Literatenstraßen: Horaz (Quintus Horatius Flaccus)

Das abgebildete Straßenschild findet sich im Stadtteil Kœnigshoffen westlich des Straßburger Zentrums in einem Neubauviertel aus den 50er/60er Jahren des 20. Jahrhunderts mit Ein-, Mehrfamilienhäusern und Wohnblocks. Sämtliche Straßen tragen dort die Namen antiker römischer Persönlichkeiten, hauptsächlich Schriftsteller.

ZUR ZUSAMMENFASSUNG DES ARTIKELS

Horaz, geboren am 8. Dezember 65 v. Chr., war wie Vergil kein Stadtrömer von Geburt, sondern stammte aus Venusia (heute Venosa), einer Kleinstadt an der alten Via Appia, die von Rom kommend über Capua, Beneventum, Venusia, Tarentum nach Brundisium, dem Tor zum Osten, führte. Seine Geburtsstadt an der lukanisch-apulischen Grenze lag eher im Randgebiet römischen Einflusses. Der Vater, ein Freigelassener und nach Sueton Kassierer von Auktionsgeldern oder Salzfischhändler, betrieb dort eine kleine Landwirtschaft. Doch siedelte er später nach Rom über, wohl um seinem offensichtlich begabten Kind - wahrscheinlich seinem einzigen - eine gute Ausbildung und Erziehung zu gewähren. In Rom lernte Horaz das, was gemeinhin nur Angehörigen der römischen Oberschicht zugänglich war. Den Elementarunterricht erhielt er von einem Lehrer, einem berühmten Grammatiker, an den er sich als plagosus Orbilius, schlagfertigen Orbilius, erinnert.

Auf den Grammatik- und Rhetorikunterricht folgten philosophische Studien in Athen, wo er sich Ende 44 v. Chr. wie viele junge Römer von Brutus, dem Caesarmörder, für die " Freiheit der Republik", die von Antonius und Oktavian bedroht schien, anwerben ließ. Horaz, noch nicht einmal 21 Jahre alt, war dabei und nahm als Stabsoffizier (tribunus militum) an dem letzten Ringen zwischen den republikanischen und den revolutionären Kräften teil und führte wohl während der Doppelschlacht bei Philippi gar als Kommandant eine Legion. Nach der verlorenen Schlacht kehrte er, von seinen Gegnern begnadigt, mit gestutzten Schwingen, gebeugtem Sinn, des väterlichen Gutes beraubt - das hatten die Sieger eingezogen - nach Rom zurück, wo ihm Armut den Wagemut und den Antrieb zum Dichten gab. Dort diente er zunächst als Schreiber (scriba) an der Staatskasse. Auf sein nun beginnendes dichterisches Werk, die Epoden, wurde Vergil aufmerksam, der ihn im Frühjahr 38 v. Chr. mit Maecenas bekannt machte; ein knappes Jahr später wurde Horaz unter dessen Schützlinge aufgenommen. Hieraus erwuchs eine enge Lebensfreundschaft, dessen äußeres Zeichen das großzügige Geschenk eines Landgutes in den Sabinerbergen war, das dem Dichter als Stätte der Zurückgezogenheit und der Schaffensfreude ermöglichte, sich sorgenfrei und wirtschaftlich sichergestellt der Dichtkunst zu widmen.

Horaz war klein und dick, wie er sich selbst in seinen Satiren beschreibt und wie - glaubt man Sueton - Augustus ihn in einem Brief schildert: " Ich glaube, du hast Angst, deine Werke könnten größer werden als du selbst. Aber was dir an Größe fehlt, ersetzt dein Umfang. Deshalb magst du ruhig auf einen kleinen Krug schreiben (in sextariolo scribas), damit der Umfang deines Werkes den deines Bauches erreiche." Ferner soll er von allzu zügelloser Sinnlichkeit gewesen sein. So schreibt Sueton, "Horaz habe als erfahrener Hurer (scortator) in seinem Schlafzimmer überall Metallspiegel (specula) aufgestellt, so daß ihm von allen Seiten das Bild des Beischlafes (imago coitus) in die Augen falle."

Zwischen 41 und 30 v. Chr. schrieb Horaz zwei Bücher Satiren in Hexametern, auch Sermones ("Plaudereien") genannt, in den Jahren 20 und 30 v. Chr. erschienen zwei Bücher Epistulae ("Briefe") in Hexametern, die ähnliche Themen wie die Satiren behandeln, nämlich Probleme der menschlichen Gesellschaft und der Lebensführung. Mit seinen vier Büchern Oden, auch Carmina ("Lieder") genannt (die Bücher 1-3 wurden 23 v. Chr. veröffentlicht, das 4. Buch wohl im Jahr 13 v. Chr.), bürgerte Horaz das äolische Lied von Alkaios und Sappho in Rom ein. Im Jahre 17 v. Chr. erhielt er von Augustus den Auftrag, das Festlied für die Säkularfeier, das Carmen saeculare, zu dichten, das Augustus, seine Familie und seine Politik verherrlicht. Doch war Horaz immer auf Unabhängigkeit bedacht, so daß er eine feste Stellung als Privatsekretär am Hofe des Kaisers ablehnte. Das in einem Marmorpfeiler eingegrabene Protokoll der Feier wurde 1890 im Tiber gefunden. Deutlich lesbar ist der Satz: "carmen composuit Q. Horatius Flaccus".

Kurz nach Maecenas starb Horaz, knapp 57 Jahre alt, am 27. November des Jahres 8 v. Chr. und wurde, wie er es sich in der Ode II, 17 gewünscht hatte, auf dem Esquilin neben dem Grab seines Gönners bestattet.


Graphik von Arthur Grunenberg zu den Oden

An Venus

Venus, Knidos' Königin
Paphos' stolze Herrscherin,
Laß dein Cypern jetzt im Stich!
Glycera erwartet dich.
Festlich schmückt sie die Tür,
Weihrauch streut sie opfernd dir;
Venus, kehre ein zu ihr!

Bring zu Glycera, ich bitt',
Deinen wilden Knaben mit!
Und die Grazien, gürtelfrei,
Und die Nymphen führ' herbei!
Jugend folge deiner Spur,
Ohne dich ein Trugbild nur, -
Und es folge auch Mercur!

Über Quintus Horatius Flaccus urteilt Nietzsche in seiner Schrift "Götzen-Dämmerung": "Bis heute habe ich an keinem Dichter dasselbe artistische Vergnügen gehabt, das mir von Anfang an eine Horazische Ode gab. In gewissen Sprachen ist das, was hier erreicht ist, nicht einmal zu wollen. Dies Mosaik von Worten, wo jedes Wort als Klang, als Ort, als Begriff nach rechts und links und über das Ganze hin seine Kraft ausströmt, dies Minimum in Umfang und Zahl der Zeichen, das damit erreichte Maximum in der Energie der Zeichen, das alles ist römisch und, wenn man mir glauben will, vornehm par excellence."

Die Oden des Horaz sind das Äußerste, was je in lateinischer Sprache erreicht wurde. Ob sich wohl der moderne Leser, der ihn nur in Übersetzungen kennt, diesem Urteil anschließen kann? Ein lyrisches Kunstwerk in lateinischer Sprache, noch dazu eines von Horaz, bei dem es so entscheidend auf die Form ankommt, ist in vielen, ja sogar in den meisten seiner Feinheiten unübersetzbar. Eine Übersetzung, die sich angemessen an den lateinischen Text hält und etwas von der Schönheit des Originals durchscheinen läßt, leistet schon viel.

Cicero soll, wie Seneca anführt, einmal erklärt haben, er würde, auch wenn seine Lebensfrist verdoppelt werden sollte, keine Zeit für die Lektüre der Lyriker finden. Ob er wohl diese Meinungsäußerung bedauert und widerrufen hätte, wenn ihm die Oden des Horaz bekannt geworden wären?

Werkausgaben (Auswahl):
Horaz; Die Oden des Horaz in deutscher Sprache; ed. u. übers. Hundhausen, V.; Berlin o.J. [ca. 1917].
Ders.; Werke in einem Band; ed. u. übers. Simon, M./Ritschel, W.; (Bibliothek der Antike. Römische Reihe); 3. Aufl. Berlin/Weimar 1990.
Quintus Horatius Flaccus; Oden und Epoden [lateinisch/deutsch]; ed. u. übers. Fink, G.; (Sammlung Tusculum); Düsseldorf u.a. 2002.
Ders.; Sämtliche Werke [lat./dt.] ed. u. übers. Färber, H.; (Sammlung Tusculum); 10. Aufl. München u.a. 1985.

Literatur (Auswahl):
Krasser, H. (Hg.); Zeitgenosse Horaz. Der Dichter und seine Leser seit zwei Jahrhunderten; Tübingen 1996.
Kytzler, B.; Horaz. Eine Einführung; (Reclams Universal-Bibliothek 9603); Stuttgart 1996.
Maurach, G.; Horaz. Werk und Leben; (Wissenschaftliche Kommentare zu griechischen und lateinischen Schriftstellern); Heidelberg 2001.
Schmidt, E. A.; Sabinum. Horaz und sein Landgut in Licenzatal; Schriften der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 1); Heidelberg 1997.
Ders.; Zeit und Form. Dichtungen des Horaz; (Supplement zu den Schriften der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 15); Heidelberg 2002.

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ZUSAMMENFASSUNG
Horaz (Quintus Horatius Flaccus)

Horaz, geboren am 8. Dezember 65 v. Chr., war kein Stadtrömer von Geburt, sondern stammte aus Venusia (heute Venosa). Diese Kleinstadt an der lukanisch-apulischen Grenze lag eher im Randgebiet römischen Einflusses. Der Vater, ein Freigelassener, betrieb dort eine kleine Landwirtschaft. Doch siedelte er später nach Rom über, wohl um seinem offensichtlich begabten Kind eine gute Ausbildung und Erziehung zu gewähren.

Auf den Grammatik- und Rhetorikunterricht folgten philosophische Studien in Athen. Noch nicht 21 Jahre alt, nahm er als Stabsoffizier an dem letzten Ringen zwischen den republikanischen und den revolutionären Kräften teil. Nach der verlorenen Schlacht kehrte er - von seinen Gegnern begnadigt - des väterlichen Gutes beraubt nach Rom zurück. Dort diente er zunächst als Schreiber an der Staatskasse. Auf seine Epoden wurde Vergil aufmerksam, der ihn im Frühjahr 38 v. Chr. mit Maecenas bekannt machte. Ein knappes Jahr später wurde Horaz unter dessen Schützlinge aufgenommen. Hieraus erwuchs eine enge Lebensfreundschaft. Maecenas schenkte ihm ein Landgut in den Sabinerbergen, das ihm ermöglichte, sich sorgenfrei und wirtschaftlich sichergestellt der Dichtkunst zu widmen.

Horaz war klein und dick. Ferner soll er von zügelloser Sinnlichkeit gewesen sein.

Zwischen 41 und 30 v. Chr. schrieb er zwei Bücher Satiren, auch Sermones ("Plaudereien") genannt, in den Jahren 20 und 30 v. Chr. erschienen zwei Bücher Epistulae ("Briefe"), die ähnliche Themen wie die Satiren behandeln, nämlich Probleme der menschlichen Gesellschaft und der Lebensführung. Mit seinen vier Büchern Oden, auch Carmina ("Lieder") genannt, bürgerte Horaz das äolische Lied von Alkaios und Sappho in Rom ein. Im Jahre 17 v. Chr. erhielt er von Augustus den Auftrag, das Festlied für die Säkularfeier, das Carmen saeculare, zu dichten. Doch war Horaz immer auf Unabhängigkeit bedacht, so daß er eine feste Stellung als Privatsekretär am Hofe des Kaisers ablehnte.

Kurz nach Maecenas starb Horaz, knapp 57 Jahre alt, am 27. November des Jahres 8 v. Chr. und wurde, wie er es gewünscht hatte, auf dem Esquilin neben dem Grab seines Gönners bestattet.

Die Oden des Horaz sind das Äußerste, was je in lateinischer Sprache erreicht wurde. Eine Übersetzung, die sich angemessen an den lateinischen Text hält und etwas von der Schönheit des Originals durchscheinen läßt, leistet schon viel.

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