SEPTEMBER
2003

 
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LITERATUR


Literatenstraßen: August von Platen

Das abgebildete Straßenschild findet sich in Ansbach, der einstigen Residenzstadt der Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach, die nach freiwilliger Abdankung des letzten fränkischen Herrschers bereits 1791 an Preußen gekommen war. Die Straße trug zu Platens Zeiten den Namen Kirchen-Gasse, weil sie auf die Johanneskirche führt. Da in ihr das Geburtshaus des Dichters steht, erhielt sie später ihren Namen nach "Der Tulpe des deutschen Dichtergartens" - wie es auf der Gedenktafel am Portal des Platen-Hauses zu lesen ist.

ZUR ZUSAMMENFASSUNG DES ARTIKELS

Karl August Georg Maximilian Graf von Platen-Hallermünde (eigentl. zu Hallermund) wurde just im Todesjahr Johann Peter Uz' am 24. 10. 1796 in der mittelfränkischen Residenzstadt Ansbach geboren. Seine Eltern waren der markgräfliche Oberforstmeister August Philipp (1748-1831) und dessen zweite Ehefrau Christiane Luise, geborene Freifrau Eichler von Auritz (1765-1842). Trotz der klingenden Namen entstammte er nur einer verarmten Seitenlinie seines Adelsgeschlechts. August sollte das einzige überlebende Kind seiner Eltern bleiben; aus erster Ehe des Vaters hatte er jedoch mehrere Stiefschwestern und einen -bruder. Bestimmt durch die Begeisterung der Mutter für Jean-Jacques Rousseau, genoß er - fern von jeglichem Standesdünkel - eine freimütig-rousseauistische Erziehung. Früh wurde er durch sie sowohl mit Literatur vertraut gemacht, als auch zum Schreiben ermutigt. Der Vater und seine Stiefgeschwister blieben ihm dagegen innerlich fremd.


Platens Geburtshaus

Für Platen war das für die weitere deutsche Geschichte in jeder Hinsicht verhängnisvolle Jahr 1806 von einschneidender Bedeutung. Im Februar wurde Ansbach unter dem französischen General Bernadotte (nachmaliger König von Schweden und Begründer der heutigen schwedischen Dynastie) besetzt und infolge dessen Franken annektiert. Kaiser Franz II. "war gezwungen, die römische Krone niederzulegen [...] Meine Landsleute waren nunmehr unter bayrische Herrschaft gekommen. Sie hatten in demselben Jahre noch den Kummer, die preußische Monarchie Schlag auf Schlag in unendliches Unglück gestürzt zu sehen. In einem der Sommermonate kam der bayrische General Werneck nach Ansbach. Er war Chef der Kadettenschule zu München, und als Jugendbekannter meines Vaters schlug er demselben vor, mich in jenes Institut zu schicken." Da Platens Eltern kein Vermögen besaßen, stellte es für sie ein Glück dar, daß ihr Sohn durch königliche Gnade - noch nicht ganz zehn Jahre alt - eine Freistelle an dieser Erziehungsanstalt für Edelknaben erhielt.

Anfangs fühlte er sich dort alles andere als wohl. Zunächst war Platen gezwungen, am römisch-katholischen Religionsunterricht teilzunehmen, wurde aber sonntags zur für die lutherische Königin eingerichtete Schloßkirche gebracht. Sein Außenseiterbewußtsein als Protestant norddeutscher Herkunft in Oberbayern wurde durch die allmähliche Entdeckung seiner homoerotischen Neigungen verstärkt. Dann scharte er eine kleinen Kreis von ihm Gleichgesinnten um sich, darunter Friedrich von Fugger. Manche dieser Kadetten sollten sich auch später noch unter den Vertrauten des Dichters wiederfinden. Im September 1810 wurde er in die Königlich-bayrische Pagerie aufgenommen. Zum Dienst an der königlichen Tafel bestimmt, war er bei Hofe das erste Mal am 1. 11. 1812 tätig. Als junger Höfling verfaßte er bereits zahlreiche dramatische, epische und lyrische Entwürfe. Gleichzeitig litt er unter Einsamkeit, so daß er begann, seine Liebesideale auf unerreichbare Jünglinge zu projizieren. Im Oktober 1813 begann Platen mit seinem Tagebuch. Zunächst beschrieb er hier - an Rousseaus "Bekenntnisse" angelehnt - akribisch sein Innenleben.

1814 schlug er doch die ungeliebte Offizierslaufbahn ein und wurde als Unterleutnant zum Dienst im Königlichen Leibregiment bestellt. Zwar sicherten ihm die höfischen Pflichten ein festes Einkommen, hinderten ihn jedoch an der Ausübung seiner geistigen Interessen. Als der Maler und Diplomat Georg Wilhelm Issel im Mai 1814 in München weilte, kamen sich dieser und Platen auf Grund ihrer gemeinsamen Interessen rasch näher. Issel schüttete ihm sein Herz aus und hoffte, kraft der Liebe zu ihm zur "süßen Poesie" zurückzufinden. Bereits hier reagierte Platen nach dem für ihn typischen Schema, wenn sich die Sehnsucht nach Liebe erfüllen sollte. Unter einem Vorwand brach er die Beziehung zu Issel bald wieder ab. So überschüttete er dann im November desselben Jahres den Offizier Friedrich von Brandenstein, den er Federigo nannte, mit der Fülle seiner Leidenschaften. Dieser war allerdings unfähig, die Ursachen dieser Avancen zu erkennen. 1814/15 nahm Platen in einer Reservebrigade am Frankreichfeldzug gegen Napoléon I. teil, wurde selbst aber in keine Kampfhandlungen verwickelt.

Nach einer Schweizreise im Jahre 1816, erhielt er ab 1818 dank seiner guten Beziehungen zum Hofe bezahlten Urlaub vom Militär, um offiziell Jura - tatsächlich aber vor allem Sprachen und Literatur - zu studieren. Zunächst ging er nach Würzburg. Dort konfrontierte er seinen von ihm poëtisierend Adrast genannten Mitstudenten Eduard Schmidtlein mit seinen Gefühlen. So wie Platen in seinen Tagebucheintragungen seine Empfindungen in Worte zu fassen suchte, hatte kein deutscher Schriftsteller vor ihm auf dem Recht nach gleichgeschlechtlicher Liebe bestanden. Da im Deutschen eine erotische Sprache jedoch noch kaum ausgeprägt war, wechselte er für die Eintragungen vom 1. Mai bis 18. Oktober 1819 ins für ihn von Kindheit an vertraute Französisch. Nachdem sein Adrast das aufdringliche Liebeswerben schroff zurückgewiesen hatte, ging Platen nach Erlangen. Dort begann er, angeregt durch die Begegnung mit Friedrich Rückert, seine orientalischen Sprachstudien und hörte Vorlesungen bei Schelling. In Erlangen besuchte ihn sein Jugendfreund Friedrich von Fugger; auch fand drei junge Männer, die sein Werben erwiderten. Hermann von Rotenhan nahm in den Monaten Februar und März 1821 den ersten Platz unter den Freunden ein. Er erhielt zum Abschied die Ballade "Das Grab im Busento", eines der bekanntesten Gedichte Platens. Von Juli bis September war er mit dem Offizier Otto von Bülow verbunden. Zusammen mit Fugger verbrachten sie einen ausgelassenen und unbeschwerten Sommer. Bülow widmete er den "Spiegel des Hafis". Im gleichen Jahr erschienen seine "Ghaseln", sowie die "Lyrischen Blätter". Während die persischen Ghaseln des Hafis den Genuß besingen, wird diese Gedichtform bei Platen allerdings zum Gefäß von Weltschmerz und Depression. 1822 gab er die "Vermischten Gedichte" heraus. Die leidenschaftliche Beziehung im März mit dem Chemiker Justus (von) Liebig währte allerdings nur wenige Tage, da dieser gerichtlich verfolgt wurde und aus dem Land floh.

1823 wurde sein Studienurlaub verlängert. Die "Neuen Ghaseln" erschienen. Im Herbst 1824 reiste er erstmals - ohne Erlaubnis - nach Venedig. Die Morbidität der Lagunenstadt regte ihn zu einer Serie von Sonetten an. Allerdings wollte er nicht allein bei der Lyrik, die ohne Zweifel sein Metier war, bleiben, sondern Großes in den traditionell höher angesehenen Gattungen der Epik und Dramatik leisten. So erschienen auch im selben Jahr die "Schauspiele". Wegen Urlaubsüberschreitung mußte er die Zeit vom 2. 1. bis 22. 3. 1825 im Militärarrest in Nürnberg verbringen. Sind - von wenigen Ausnahmen abgesehen - seine epischen und dramatischen Arbeiten mißglückt, so gab er in jenem Jahr die allerdings gelungene, im Stile Ludwig Tiecks gehaltene Märchenkomödie "Der gläserne Pantoffel", die Tragikkomödie "Der Schatz des Rhampsinit", sowie darüber hinaus die "Sonette aus Venedig" heraus. 1826 erschien seine Literaturkomödie "Die verhängnisvolle Gabel" - einer seiner größten Publikumserfolge.


Bildnis Platens
Am 3. September brach er von Erlangen aus zum zweiten Mal mit dem Wunsch, sich dort für immer niederzulassen, nach Italien auf. Über Verona und Florenz reiste er nach Rom, wo er am 24. 10.1826, seinem 30. Geburtstag, eintraf. In Rom fand er Anschluß an viele, dort weilende deutsche Künstler. Die Fürsprache Schellings und Döllingers bei König Ludwig I. brachte ihm ein zumindest materiell sorgloses Leben ein, indem dieser ihn zum außerordentlichen Mitglied der Bayrischen Akademie der Wissenschaften ernannte. In Italien legte Platen wohl allmählich seine in Deutschland auferlegte sexuelle Enthaltsamkeit ab. Zumindest legen einige Anspielungen auf schöne Italiener dies nahe.

In Neapel kam es zur Beziehung mit dem Dichter und Maler August Kopisch. Platen war sowohl von dessen schönem Körper als auch von seiner Liebenswürdigkeit und Unbefangenheit eingenommen. Die beiden verbrachten 1827 unbeschwerte Juli-Wochen, während derer der durchtrainierte Kopisch ihm das Schwimmen beibrachte. Bald war Platen davon überzeugt, in Kopisch die Erfüllung seines lang ersehnten Freundschaftsideals gefunden zu haben. Doch auch hier konnte er aus seinem Schema, Liebe und Unglück als Synonyme aufzufassen, nicht heraus. So stark Platen im Begehren war, so unfähig war er, Beziehungen aufrechtzuerhalten. Wieder reichte eine Kleinigkeit zum Bruch. Krampfhaft wollte er sein "Geheimnis" wahren und sich nicht offiziell zu dieser Beziehung bekennen. Kopisch hatte hierin allerdings eine andere Vorstellung, was Liebe ausmache. So sandte er seinem Freund am 28. 9. 1827 einen förmlichen Scheidebrief, in dem er auf Platens sexuelle Probleme anspielte. Dieser reagierte beleidigt und wollte sich - nach heutigem Sprachgebrauch - keinesfalls outen; eine logisch kaum nachvollziehbare Reaktion, da seine homoerotische Neigung im Grunde allgemein bekannt war. Denn inzwischen hatte er sich einen Namen als einer der künstlerisch perfekten und originellsten Dichter seiner Epoche erworben - und vor allem im "Spiegel des Hafis" sang er das Lob des jungen schönen Mannes.

Ende 1827 begann er mit der Abfassung des in der Tradition des aristophanischen Lustspiels stehenden "Romantischen Oedipus". Zum einen wollte er damit wohl an den Erfolg der "Verhängnißvollen Gabel" anknüpfen, zum anderen eine Satire auf die romantische Komödie seiner Zeit verfassen. Es war vor allem Immermann (in der Bühnenfigur "Nimmermann"), über den er sich lustig machte, hatte dieser zuvor in einer Reihe von Epigrammen den klassizistischen Stilwillen Platens karikiert. Aber auch Heinrich Heine hatte diesen bereits als klassisch-epigonenhaft abgeurteilt. So kam es nach der Veröffentlichung 1829 zu einem Dichterstreit, der Platen - auch wenn es dafür ansonsten keine Belege gibt - in die Rolle des Antisemiten geraten ließ. Aber auch Heine war mit seiner bitterbösen Platen-Karikatur in den "Bädern von Lucca", worin er dessen homoerotische Neigung zutiefst lächerlich machte, wenig zimperlich. Alles in allem kann dieser Schlagabtausch als der erbärmlichste in der deutsche Literaturgeschichte angesehen werden. Am Ende stehen beide als Verlierer dar - und Platen konnte sich davon niemals mehr recht erholen.

Ab Mai 1830 lebte er in Neapel. Im Zusammenhang mit den europäischen Julirevolutionen 1830 kam es auch in Polen zum Aufstand gegen die russische Fremdherrschaft. Als dieser 1831 endgültig mit der Unterwerfung durch den Zaren scheiterte, löste dies eine Welle von Solidarität unter den westeuropäischen Intellektuellen aus. So entstanden auch Platens "Polenlieder". An Qualität übertreffen sie das meiste, womit damals deutsche Autoren die Opfer des Freiheitskampfes bedachten. Ihr Erscheinen erlebte er selbst jedoch nicht mehr, da die Aufnahme des Zyklus' in die 1832 geplante Gedicht-Ausgabe an der Zensur scheiterte. Erst 1839 konnten sie im Rahmen der "Gedichte aus dem ungedruckten Nachlasse" veröffentlicht werden.

Am 21. Mai 1832 empfing Ludwig I. Platen in Neapel. Im Juli reist er nach Deutschland. Dort weilt er für längere Zeit in München. Im April 1834 kehrte er, früh vergreist und von Melancholie sowie Hämorrhoiden geplagt, nach Italien zurück. Getrieben vom Verlust der Hoffnung auf ein besseres Leben im Süden, reiste er viel. Doch konnte er seine Einsamkeit damit auch nicht kompensieren. Es erschienen noch die "Liga von Cambrai", die "Geschichte des Königreichs Neapel" und 1835 die "Abassiden". Doch scheint sein Spätwerk von Ernüchterung geprägt zu sein. Es wird immer lebloser - ein Prozeß, der sich auch in seinem Tagebuch zeigt. Nach den ursprünglichen genauesten Selbstreflexionen verstummte er in den letzten Lebensjahren zunehmend und es verliert den Charakter einer vollständigen Biographie. Lücken reichen teilweise über ein halbes Jahr.

Im September 1835 begab sich Platen aus Furcht vor der Cholera von Neapel aus nach Palermo. Von dort wanderte er nach Syrakus, wo er am 11. 11. als Gast des Marchese Mario Landolina eintraf. Am 23. 11. erkrankte er an einer heftigen Kolik, die er für die Cholera hielt. In Panik versuchte er sich selbst zu heilen und nahm die tödliche Dosis eines Gegengiftes ein. Daran, nicht an der gefürchteten Cholera, verstarb er am 5. Dezember 1835 in den Armen seines Gastgebers. Dieser ließ in seinem Garten für Platen sodann ein Grabmal anlegen. Die danach immer wieder auftauchenden Spekulationen, er habe sich selbst getötet, passen zwar in das Bild des todessüchtigen Ästheten - wie es beispielsweise sein Gedicht "Tristan" naheläge. Sie entbehren aber jeder Grundlage. Er starb nicht an der Unmöglichkeit der Erfüllung seiner Sehnsucht, sondern letztlich an seinem Lebenswillen!

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ist dem Tode schon anheimgegeben,
Wird für keinen Dienst auf Erden taugen,
Und doch wird er vor dem Tode beben,
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen!
(erste Strophe des "Tristan")

Die Urteile über Platens Œuvre differenzieren stark. Während die einen von Kälte und seelenloser Künstlichkeit sprachen, bewunderten andere, wie der junge Fontane, Paul Heyse, Stefan George oder Gottfried Benn gerade die Zucht der strengen Form. Auch wurden Gedichte Platens in den Kreisen gelesen, die sich dem Pessimismus Arthur Schopenhauers hingaben. Dagegen waren die "Polenlieder" für liberale Schriftsteller wie Freiligrath oder Herwegh anstoßgebend und fanden noch in der DDR-Germanistik Interesse. Nicht zuletzt wirkte sein Ästhetizismus über das Fin de siècle bis zu Thomas Mann, der den vernichtenden Schrecken der Schönheit zutiefst nachempfand. So trägt die Figur Aschenbachs im "Tod in Venedig" nicht von ungefähr Platens Züge.

Wegen seiner gleichgeschlechtlichen Neigung mit weniger Nachruhm bedacht, sind doch in einigen fränkischen Städten - nicht nur Ansbach - Straßen nach ihm benannt. In den vergangenen Jahrzehnten haben zum einen eine wertfreie Einstellung zu seiner Homosexualität, zum anderen die Ansicht, daß sein Pathos genauso legitim wie die Heinesche Ironie sei, seiner Lyrik als auch den Tagebüchern zu neuem Interesse verholfen.


Gedenktafel an Platens Geburtshaus

Die Gedenktafel an seinem Geburtshaus trägt die Inschrift: "HIER ENTSPROSS / AUGUST GRAF VON PLATEN / HALLERMÜNDE / DIE TULPE DES DEUTSCHEN DICHTERGARTENS / AM XXIV. WEINMOND / MDCCLXXXXVI". Dabei spielt die Tulpe - ursprünglich eine in Vorderasien beheimatete Pflanze - sicherlich daran an, daß er es war, der die Ghasel in die europäische Literatur einbrachte.

Werkausgaben (Auswahl):
Platen, A. v.; Briefwechsel; Bde. 1-4 ed. Bornstein, P.; München 1911-1931; Bd. 5 ed. Bumm, P.; Paderborn 1995.
Ders.; Memorandum meines Lebens; ed. Mattenklott, G./Schmidt-Bergmann, H.; Ffm 1988.
Ders.; Tagebücher [Auswahl]; ed. Görner, R; Zürich 1990.
Ders.; Gesammelte Werke; 2 Bde.; Stuttgart 1876.
Ders.; Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe; ed. Koch, M./Petzet, E; 12 Bde.; Leipzig 1910 (Nachdruck Hildesheim 1969).
Laubmann, G./Scheffler, L. v. (Hgg.); Die Tagebücher des Grafen August von Platen; 2. Bde.; Stuttgart 1896-1900 (Nachdruck Hildesheim 1969).
Maurer, F. (Hg.); August [Graf] von Platen. Gedichte; Berlin et al. 1947.

Literatur (Auswahl):
Bolzin, H. (Hg.); August Graf von Platen. Leben, Werk, Wirkung; Paderborn 1998.
Bumm, P. August Graf von Platen. Eine Biographie; Paderborn 1990.
Dove, R.; (Art.) Platen; in: Killy, W. (Hg.); Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache; Bd. 9; Gütersloh/München 1991; S. 176-179.
Fichte, H.; Deiner Umarmungen süße Sehnsucht. Die Geschichte der Empfindungen am Beispiel der französischen Schriften des Grafen August von Platen-Hallermünde; Tübingen 1985.
(Art.) Platen-Hallermund, August von; in: Hergemöller, B.-U.; Mann für Mann. Ein biographisches Lexikon; Ffm 2. Aufl. 2001; S. 556-557.
Hülsen, H. v.; Den alten Göttern zu. Ein Platen-Roman; Berlin 1918 (Nachdruck [Bibliothek rosa Winkel 30] Hamburg 2002).
Kaufmann, M.; Heinrich Heine contra Graf August von Platen und die Homo-Erotik; Leipzig 1907
Koch, H.-A.; (Art.) Platen, August von; in: Killy, W./Vierhaus, R. (Hgg.); Deutsche biographische Enzyklopädie (DBE); Bd. 7; München 1998; S. 687-688.
Och, G.; (Art.) Platen-Hallermund 2; in: Hockerts, H. G. (Hg.); Neue Deutsche Biographie; Bd. 20; Berlin 2001; S. 510-511.
Prill, M./Schröder, R.; (Art.) August Graf von Platen; in: Jens, W. (Hg.); Kindlers Neues Literatur-Lexikon; Bd. 13; München 1991; S. 354-361.
Redenbacher, F.; Platen-Biographie; Hildesheim 3. Aufl. 2001.


ZUSAMMENFASSUNG
August von Platen

Karl August Georg Maximilian Graf von Platen-Hallermünde wurde am 24. 10. 1796 im mittelfränkischen Ansbach geboren. Da seine Eltern (trotz des klingenden Namens) kein Vermögen besaßen, stellte es für sie ein Glück dar, daß ihr Sohn - noch nicht ganz zehn Jahre alt - eine Freistelle an der Kadettenschule zu München erhielt. Anfangs fühlte er sich dort alles andere als wohl. Sein Außenseiterbewußtsein als Protestant norddeutscher Herkunft in Oberbayern wurde durch die allmähliche Entdeckung seiner homoerotischen Neigungen verstärkt. Im September 1810 wurde er in die Königlich-bayrische Pagerie aufgenommen. Als junger Höfling verfaßte er bereits zahlreiche dramatische, epische und lyrische Entwürfe. Im Oktober 1813 begann Platen mit seinem Tagebuch.

1814 schlug er die ungeliebte Offizierslaufbahn ein. 1814/15 nahm er am Frankreichfeldzug gegen Napoléon I. teil, wurde jedoch in keine Kampfhandlungen verwickelt. Ab 1818 erhielt er dank seiner guten Beziehungen zum Hof bezahlten Urlaub vom Militär, um offiziell Jura - tatsächlich aber vor allem Sprachen und Literatur - zu studieren. Zunächst ging er nach Würzburg. Dort konfrontierte er seinen von ihm poëtisierend Adrast genannten Mitstudenten Eduard Schmidtlein mit seinen Gefühlen. Nachdem dieser ihn schroff zurückgewiesen hatte, ging Platen nach Erlangen. Dort begann er, angeregt durch die Begegnung mit Friedrich Rückert, seine orientalischen Sprachstudien und hörte Vorlesungen bei Schelling. Auch fand er drei junge Männer, die nacheinander sein Werben erwiderten: Hermann von Rotenhan, den Offizier Otto von Bülow sowie den Chemiker Justus (von) Liebig.

1823 erschienen die "Neuen Ghaseln". Im Herbst 1824 reiste er erstmals - ohne Erlaubnis - nach Venedig. Die Morbidität der Lagunenstadt regte ihn zu einer Serie von Sonetten an. 1825 gab er die Märchenkomödie "Der gläserne Pantoffel", die Tragikkomödie "Der Schatz des Rhampsinit", sowie die "Sonette aus Venedig" heraus. 1826 erschien seine Literaturkomödie "Die verhängnisvolle Gabel" - einer seiner größten Publikumserfolge.

Am 3. September brach er zum zweiten Mal nach Italien auf. Zum außerordentlichen Mitglied der Bayrischen Akademie der Wissenschaften ernannt, erlaubte ihm das dort ein materiell abgesichertes Leben. In Neapel kam es zur Verbindung mit dem Dichter und Maler August Kopisch. Die beiden verbrachten 1827 unbeschwerte Juli-Wochen; doch so stark Platen im Begehren war, so unfähig war er, Beziehungen aufrechtzuerhalten. Ende des Jahres begann er das Stück "Der romantische Oedipus". Nach der Veröffentlichung 1829 kam es zu einem Dichterstreit zwischen Heinrich Heine und Platen, der als der erbärmlichste in der deutsche Literaturgeschichte angesehen werden kann.

Getrieben vom Verlust der Hoffnung auf ein besseres Leben im Süden, reiste er viel. Sein Spätwerk ist von Ernüchterung geprägt. Es wird immer lebloser - ein Prozeß, der sich auch in seinem Tagebuch zeigt. Im September 1835 begab sich Platen aus Furcht vor der Cholera nach Palermo und wanderte dann nach Syrakus weiter. Am 23. 11. erkrankte er dort an einer heftigen Kolik, die er für die Cholera hielt. In Panik versuchte er sich selbst zu heilen und nahm die Überdosis eines Medikaments ein. Daran, nicht an der gefürchteten Cholera, verstarb er am 5. Dezember 1835.

Die Urteile über Platens Œuvre differenzieren stark. Nicht zuletzt wirkte sein Ästhetizismus aber über das Fin de siècle bis zu Thomas Mann. So trägt die Figur Aschenbachs im "Tod in Venedig" nicht von ungefähr Platens Züge. Wegen seiner gleichgeschlechtlichen Neigung mit weniger Nachruhm bedacht, hat in den vergangenen Jahrzehnten eine wertfreie Einstellung zur Homosexualität Platens Lyrik als auch den Tagebüchern zu neuem Interesse verholfen.