JULI
2003

 
Rubriken
 
Service
 
Kontakt
Gästebuch
LITERATUR


Literatenstraßen: Tharsander (Georg Wilhelm Wegner)

Das abgebildete Straßenschild findet sich in Berlin-Spandau. Nach der Durchtrennung der Götelstraße durch eine Grünanlage, erhielt der ehemalige südliche Abschnitt 1972 den Namen Tharsanderweg. Grund für diese Ehrung war wohl die Tatsache, daß er 1765 seine Bibliothek von 1400 Bänden der Spandauer Kirchenbibliothek vermacht hatte; wo heute noch etwa die Hälfte seines Bestandes erhalten ist.

ZUR ZUSAMMENFASSUNG DES ARTIKELS

Tharsander kam am 10. 9. 1692 als Georg Wilhelm Wegner (später teilweise Wegener) durch Sophie, geborene Rosentreterin, in Oranienburg zur Welt. Seine Geburtsstadt war damals eine der königlichen Residenzen. Sein Vater Martin war dort Brauer und besaß das Bürgerrecht. Von den Eltern fürs Studieren vorgesehn, wurde er früh in die Oranienburger Schule geschickt, wo er Grundlagen in Latein und Griechisch erlernte. Auch bekam er eine Gesangsausbildung beim dortigen Kantor.

1706 kam er auf das königl. Joachimsthalische Gymnasium in Berlin. Wegen seiner Sangeskünste wurde er dort für die königliche Kapelle verpflichtet, wenn Friedrich I. in der Stadt weilte. Doch mußte er auch des öfteren dem Hofe nach Potsdam, Oranienburg und Charlottenburg folgen und in den GOttesdiensten mitsingen. Bei Hoffesten, wie der dritten Eheschließung des Königs und der Hochzeit des Kronprinzen, war er mit im Opernchor. Gefiel ihm dies anfänglich sehr, so mußte er doch dafür oftmals das Schulische vernachlässigen. In Absprache mit dem Direktor konnte er sich vom Singen befreien. Somit hatte er wieder Zeit, sich bis tief in die Nacht in Bücher zu versenken.

Mit 18 Jahren wechselte er aus eignem Antrieb auf die Universität - zu früh, wie er später urteilte, denn er sei noch nicht reif gewesen, sein studentisches Leben genügend zu organisieren. Zu Michaelis (29. September) 1710 ging er nach Halle und von dort zu Ostern 1711 nach Jena, wo er zwei Jahre blieb. Dort hörte er Vorlesungen über Philosophie, Theologie und Physik. Da er meinte, ebensogut aus Büchern lernen zu können, schwänzte er jedoch oft die Collegien.

Ende 1713 wurde er Lehrer der Söhne des Herrn Ehrenreichs von Röbel auf dessen Gut in Hirschfelde bei Strausberg. Dort beschäftigte er sich eingehend mit Mathematik, insbesondere Geometrie. Alles in allem blieb seine Leselust unersättlich. Zur dieser Zeit begann er bereits, die magischen Bücher durchzugehen, was den Grundstock zu seinem späteren Hauptwerk bilden sollte. Da der ortsansässige Pfarrer vier Dörfer zu betreuen hatte, übte Tharsander sich zudem bereits im Predigen. Er blieb gut drei Jahre in Hirschfeld, bis er im Oktober 1716 nach Frankfurt/Oder ging, um - durchaus gegen den Willen der Eltern - Jura zu studieren. Da er jedoch selbst feststellen mußte, daß ihm dieses Fach nicht zusagte, kehrte er um Pfingsten 1717 zurück nach Hause. Hier beschäftigte er sich mit Botanik und weiterhin mit Mathematik. Für den Eigengebrauch fertigte er sich Sonnenuhren und mathematische Instrumente an, vergaß darüber aber nicht das Studium der Theologie und Philosophie.

1719 kam er ins Predigtamt und war Vikar beim Pfarrer von Germendorf und Nassenheide, unweit von Oranienburg. Im Jahr 1721 starb dieser und er wurde sein Nachfolger Im folgenden Jahr heiratete Tharsander dessen Witwe Anna. Mit ihr hatte er zwei Söhne. Der eine studierte später ebenfalls Theologie, der andere verstarb bereits ein Jahr nach der Geburt.

Als es im Jahre 1723 zu Streitigkeiten um die Philosophie Christian Wolf(f)s kam, begann Tharsander, sich eingehend mit dessen Werken sowie den Streitschriften für und gegen ihn auseinanderzusetzen. Er hat für sich selbst daraus viel gelernt und kam zudem zum Ergebnis, daß die Anschuldigungen ungerechtfertigt seien. Da er jedoch nicht in allem mit Wolf(f) übereinstimmte, wollte er einen Traktat unter dem Titel "Das Geheimnis der Vereinigung Leibes und der Seele" veröffentlichen, das nach etlichen Druckverzögerungen aber doch nicht herauskam.

1727 ereilte ihn ein großes Unglück. Am Morgen des 1. Mais brach unter nie völlig geklärten Umständen Feuer unter dem Strohdach hervor. Da sich seine Studierstube ausgerechnet im Obergeschoß des Hauses befand, ging ein Großteil seiner Bibliothek sowie seine Handschriften und mathematischen Instrumente verloren. Von den 600 Büchern, die er zu diesem Zeitpunkt besaß, blieben ihm gut hundert, die er entweder unten hatte, oder in Eile aus dem Fenster werfen konnte. Einige Exemplare mit Brandspuren sind noch heute in der Spandauer Kirchenbibliothek von St. Nikolai vorhanden. Nachdem er abgebrannt war, überlegte er zunächst, sich um eine andere Stelle zu bemühen, blieb dann jedoch in Germendorf.


Wandteller mit Darstellung von Kirche
und Pfarrhaus zu Germendorf

Nach einer Unterhaltung über die Wolf(f)sche Philosophie mit dem Nauener Inspektor Friedrich Wagner, nachmaliger Pastor in Hamburg, kam es 1728 zu einem weitläufigen Briefwechsel. Neben einigen kleineren Veröffentlichungen in den Jahren 1727, 1730 und 31, fing er 1730 an, den Traktat wider die Alchimie zu schreiben, der aber erst 1744 unter dem Titel "Adeptus ineptus. Oder Entdeckung der falsch berühmten Kunst Alchimie genannt" erschien. 1733 wurde der von Uranophilo begonnene "Hauß- und Reise-Calender" von neuem gedruckt. Dieser wurde von Tharsander, der hierfür zum ersten Mal dieses Pseudonym (was wohl als Verklitterung aus dem Griechischen "mutiger Starker" bedeutet) verwandte, verbessert und um einen vierten Teil ergänzt. Im gleichen Jahr begann er auch sein Hauptwerk "Schau-Platz Vieler Ungereimten Meynungen und Erzehlungen", für das er insgesamt acht Jahre benötigte.

Bis 1735 führte er die zu seiner Pfarre gehörende Landwirtschaft selbst. Um aber mehr Zeit fürs Studieren zu haben, verpachtete er den Acker. Er selbst meinte, daß seine Pfarre nicht reich an Einkünften sei. Zudem sei es sehr mühsam und beschwerlich gewesen, die über eine Meile entfernt gelegene Filiale in Nassenheide mitzubetreuen. Da es ihm aber nicht auf große Einkünfte angekommen sei, lebte er recht heiter und vermied unnötige Ausgaben. "Auf Bücher verwende [ich] das meiste, und habe bereits wieder eine eben nicht grose, doch mehrentheils brauchbare Bibliothek angeschaft, welche mir das beste Vergnügen gewähret."

Als 1744 endlich sein Traktat "Adeptus ineptus" herauskam, geschah dies ebenfalls unter dem Namen Tharsander. Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung sei jene Anekdote angeführt: Ein Mann aus Gera habe sich an den Verleger gewandt, um den wahren Verfassernamen zu erfahren. Ein vornehmer Mann, der sein ganzes Geld fürs Goldmachen verschwendet hatte, wäre nämlich durch das Werk davon abgebracht worden, wofür seine Freunde Tharsander danken wollten. Es sei aber im weiteren nichts bei ihm angekommen... Als im selben Jahr eine Besprechung des "Adepti inepti" erschien, sah sich Tharsander genötigt, sich dagegen zu verteidigen. In diesem Zusammenhang deckte er dann sein Pseudonym auch offiziell auf.

Die Furcht vor dem unheilvollen Einfluß der Sterne auf das menschliche Leben war unter der Landbevölkerung allgegenwärtig. So gab er anläßlich des 1744 zu beobachtenden Kometen eine in volksaufklärerischer Absicht gehaltene Predigt unter dem Titel "Die unnöthige Furcht für [= vor] den Cometen" in Druck. Dagegen richtete sich der Oberprediger in Werder mit seinen "Cometenbriefen". Darauf schickte Tharsander ihm eine Verteidigung, worauf er wiederum eine schriftliche Antwort erhielt. Diese beiden Briefe gab er sodann im 5. Band des "Neuen Büchersaals der Wissenschaften" heraus.

1746 erschien anonym seine Satire "Das verwirrete und wieder beruhigte Reich der Todten", die nach seinen Angaben in Berlin gedruckt sei. Demzufolge handelt es sich bei der Ortsangabe "Cöln" auf dem Titelblatt nicht um dasjenigen am Rhein, sondern um die damals noch politisch eigenständige Schwesterstadt Berlins. Das Werk fand Beachtung und wurde rezensiert - offenbar zur Zufriedenheit Tharsanders, denn er äußerte sich nicht weiter dazu.

Als 1747 in Wustermark von einem angeblichen Kobold berichtet wurde, gab er eine philosophische Abhandlung von Gespenstern heraus. Ein Jahr später hatte die Berliner Akademie der Wissenschaften einen Preis für die beste Behandlung der Leibnizschen Monadenlehre ausgesetzt. Tharsander beteiligte sich, indem er diese jedoch zu widerlegen versuchte. Seine Ausführungen wurden zusammen mit anderen eingereichten von der Akademie herausgegeben.

Das verheerende Lissabonner Erdbeben vom 1. November 1755 bewegte damals die Denker in ganz Europa. Im darauffolgenden Jahr bekam Tharsander von einem Herrn Pfeil aus Berlin eine Abhandlung einer angeblich hochgestellten Person übersandt. Darin brachte diese das Geschehen mit Johannes-Offenbarung 16,18 ("... und es geschah ein großes Erdbeben, wie es noch nie gewesen ist, seit Menschen auf Erden sind ...") und infolgedessen die Könige von Portugal mit dem Tier aus Kapitel 13,11.15 in Verbindung. Tharsander antwortete, daß solch eine Auslegung nicht statthaft sei. Auch forschte er in seinen Büchern, ob es bereits ähnlich starke Erdbeben in der Geschichte gegeben habe, und fand, daß einige sogar das von Lissabon übertroffen hatten. Dies ließ er in einer Berliner Zeitung drucken, woraufhin er Einwürfe erhielt, die er wiederum in der Zeitung beantwortete.


Barocker Kanzelaltar der Kirche zu Germendorf

Im Jahre 1752 bekam er eine kleine Wunde am Fuß, die der Wundarzt aber so schlecht behandelte, daß seit dieser Zeit sein Fuß immerfort geschwollen war. Zu dieser Unannehmlichkeit kam 1754 das Unglück des Todes seiner Frau und drei Jahre später seines ihm bis dahin gebliebenen Sohnes. Dieser hielt sich damals als Kandidat der Theologie bei ihm auf und hatte zudem wie sein Vater ein großes wissenschaftliches Interesse. So verlor er mit ihm zugleich eine sehr angenehme Gesellschaft.

 

Ebenfalls im Jahr 1757 verlor er zudem seinen Freund Joachim Böldike. Dieser war Diakon in Spandau und ebenso am gelehrten Austausch interessiert wie Tharsander. Sofern es die Umstände zuließen, hatte er ihn ein- bis zweimal im Jahr für einige Tage in Spandau besucht. Somit ehrte er ihn auch durch einen von ihm verfaßten Lebenslauf nebst Bibliographie dessen Schriften in den in Berlin erschienenen "Vermischten Abhandlungen und Urtheile über das neueste aus der Gelehrsamkeit".

Da auch die meisten seiner Verwandten zu dieser Zeit bereits verstorben waren und er selbst bis zu seinem Lebensende Witwer bleiben sollte, entwich er der Einsamkeit, indem er immer wieder einige Kandidaten der Theologie zu sich nahm. Ihm kam es hauptsächlich drauf an, jemanden bei sich zu haben. Deshalb gab er ihnen Unterhalt, ohne zu verlangen, daß sie ihm als Prediger unterstützten. Vielmehr unterrichtete er sie gern in Theologie, Philosophie, Mathematik und Griechisch.

So verrichtete er auch bei zunehmenden körperlichen Beschwerden sein Amt in beiden Dörfern bis zuletzt größtenteils selbst. Noch einige Wochen vor seinem Tode gab er unentwegt Unterricht. Dann nahm die Geschwulst am Fuß immer mehr zu und entwickelte sich zu völliger Wassersucht. Auch wenn er sich ärztlich behandeln ließ, sah er sich selbst doch innerlich ruhig dem Tod entgegengehen. Nachdem er drei Wochen bettlägerig gewesen war, verschied er am Freitag, den 16. August 1765, nachmittags zwischen ein und zwei Uhr. Er hatte es somit auf ein damals beachtliches Alter von 73 Jahren gebracht, von denen er 46 Jahre in Germendorf im Amte war. Johann Gottfried Georgi - der letzte Kandidat, der sich seit Michaelis 1764 bei ihm aufgehalten hatte - wurde sodann nach Examination und Ordination Tharsanders Nachfolger.


Kirche von Nassenheide, 1749 neu errichtet (Turm erst von 1776)

Im Jahre 1760 zählte die erstmals 1532 erwähnte Kirchenbibliothek zu Spandau über 400 Bände. In seinem Testament, das dort noch vorhanden ist, vermachte Tharsander ihr alle seine Bücher (nebst einem Bildnis und zwei Globen, die leider nicht mehr vorhanden sind). Es handelte sich um einen damals beachtlichen Umfang von fast 1400 Bänden. Zudem setzte er ein Legat von jährlich 100 Talern aus, woraus der jeweilige Archidiakon als Bibliothekar jährlich fünf Taler an Zinsen bekommen sollte. Auch in dieser Sorge um seinen Nachlaß zeigt sich Tharsanders aufklärerisches Bemühen um Bildung, die vom abergläubischen und irregeleiteten Weltverständnis wegführen sollte.

Ganz deutlich wird dieses Ansinnen auch in seinem Hauptwerk, in dem er viel gesammeltes Material über Volkssagen und Volksglauben verarbeitet. Sinn und Absicht seines Werkes zeigt bereits der durchaus barocke Titel "Schau-Platz Vieler Ungereimten Meynungen und Erzehlungen: Worauf die unter dem Titel Der Magiæ Naturalis So hoch gepriesene Wissenschafften und Künste, Von dem Gestirn und dessen Influentz, Von den Geistern, ihren Erscheinungen und Würckungen, Von andern natürlichen Dingen, ihren geheimen Kräfften und Eigenschafften. Ingleichen Die mancherley Arten der Wahrsagerey, Und viel andere fabelhaffte, abergläubische und ungegründete Dinge mehr, Vorgestellet, geprüfet und entdecket werden. Zur Beförderung der Wahrheit Wie auch Zum Unterricht und Warnung, Sich für thörichten Einbildungen und Betrug zu hüten: eröffnet Von Tharsanden".

Noch deutlicher benennt er seinen Plan in der Vorrede zum ersten Band, denn Leichtgläubigkeit und Aberglaube seien zwei Ungeheuer, die viel Schaden anrichten, indem sie den Verstand mit vielen falschen und schädlichen Begriffen zum Nachteil der Wahrheit anfüllen. Im originalen Wortlaut klingt das dann so: "Es ist auch kein Zweifel, diese beyde Ungeheuer werden bey vielen noch die Herrschafft behaupten. Denn die Wahrheit ist noch heut zu Tage, da man ihr gleichwohl durch eine vernünfftige Philosophie ein ziemlich helles Licht aufgestecket hat, bey vielen, auch so gar Gelehrten, verdunckelt, daß sie dieselbige entweder nicht sehen können, oder nicht sehen wollen. Vielmehr schleppet man sich mit häufigen Erzehlungen und Meynungen, die nicht den geringsten Schein der Wahrscheinlichkeit haben, sondern nur deswegen für wahr gehalten werden, weil sie alt sind, und bey vielen Beyfall finden."

Nachdem er anmerkt, daß ihm kein anderer Autor bekannt sei, der in einem solchen Umfange ein Werk über diese Materie veröffentlicht habe, geht er darauf ein, daß es großprahlerisch erscheinen mag, wenn ein Werk von einigen Bänden im Oktav-Format den Titel "Schau-Platz" trage, da damit ansonsten nur große und kostbare Ausgaben zu prangen pflegen. Jedoch wolle er damit auf einige magische Bücher anspielen, die diesen Titel tragen und deren Inhalt hier geprüft werden solle. Auch verstehe er ihn nicht in Hinblick auf die Größe seines Werkes sondern auf die Vielfalt dessen, was es biete.

Der dritte Band umfaßt dann zunächst eine Widmungsschrift an den königlichen Leibarzt und Hofrat Johann Theodor Eller, worin er nochmals das Ziel der Erkenntnis der Wahrheit benennt. Gleichzeitig bittet er den Arzt, ihn bei Irrtümern zu belehren. Hier nennt er sich auch mit vollem Namen und Wohnortsangabe. Daraufhin kommt eine kurze Vorrede, in der er sich für die Verzögerungen entschuldigt und mitteilt, daß er das geplante magische Wörterbuch wohl doch nicht herausgeben werde. Statt dessen verweist er auf das Erscheinen des "Adepti inepti". Nach den bereits angekündigten Kapiteln 59-80, läßt er unter dem Titel "Von der Sympathie und Antipathie" noch zwölf weitere Abhandlungen folgen.

Mit seinem Œuvre und seiner Bibliothek spiegelt Tharsander beispielhaft den Typus des in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Mark Brandenburg des öfteren anzutreffenden aufgeklärten Landgeistlichen wieder. Nicht selten gingen diese in ausgeprägter Form - bis hin zur Komik - ihren Sonderinteressen nach.

Tharsanders schriftstellerische Arbeiten sind heute weitgehend unbekannt. Neuausgaben sind bis dato nicht erfolgt.[1] Dabei gäben sie einen interessanten Einblick, wie aufklärerisches Gedankengut umzusetzen versucht wurde. So zeigen seine Werke nicht nur auf, was noch im 18. Jahrhundert allgemein im Volksglauben verbreitet war, sondern bieten uns auch die Möglichkeit des Vergleichens, welche (abergläubischen) Vorstellungen noch heute bekannt und beliebt sind.

Hinweis:
Wer auf der Suche nach weiteren Informationen über Wegner bzw. Tharsander ist, sei hiermit auf das
Museumscafé Spandowia sacra und Archiv der St. Nikolai-Gemeinde Spandau hingewiesen. Dort gibt es alle Bücher auch anderes Material von Tharsander. Anschrift: Reformationsplatz 12 / 13597 Berlin / 333 80 54 Telefon / 333 80 39 Fax / Do- So 15- 18 Uhr und nach Vereinbarung.

Werke (Auswahl):
Tharsander (= Wegner, G. W.); Adeptus ineptus. Oder Entdeckung der falsch berühmten Kunst Alchimie genannt; Berlin 1744.
Ders.; Schau-Platz Vieler Ungereimten Meynungen und Erzehlungen; 3 Bde.; Berlin/Leipzig 1735-42.
Ders./Uranophilo (= Hecker, K. G.); Allgemeiner sehr curieuser und immerwährender Hauß- und Reise-Calender; 3. verm. Aufl. Berlin 1751.
Wegner, G. W.; Lebenslauf [...] Hrn. Georg Wilhelm Wegners, gewesen Predigers zu Germendorf und Nassenheide, in der Mittelmark, von ihm selbst aufgesetzt; in: Nova Acta Historico-Ecclesiastica. Oder Sammlung zu den neuesten Kirchengeschichten. 49; Weimar 1767; S. 105-121.
[Ders.]; Das verwirrete und wieder beruhigte Reich der Todten. Eine Lucianische Satyre, ohne Vorrede; Cöln 1746.

Literatur (Auswahl):
Jauch, J.; Wegweiser zu Berlins Straßennamen. Spandau; Berlin 2. überarb. Aufl. 1996; S. 402f.
Kuntzemüller, O.; Urkundliche Geschichte der Stadt und Festung Spandau; Berlin 1928 (Nachdruck Leipzig 1978); S. 235.
Plümacher, E.; Die Bibliothek der St. Nikolai-Kirche in Spandau. Ein Beitrag zur Geschichte des kirchlichen Bibliothekwesens in Brandenburg vom 16. bis zum 18. Jahrhundert; in: Arnim, H. v./Delius, W.; Jahrbuch für berlin-brandenburgische Kirchengeschichte 46; Berlin 1971; S. 35-101 (hier: S. 68-73; Bibliographie S. 97-101).
Schulze, D. F.; Zur Beschreibung und Geschichte von Spandow; ed. Recke, O.; 2 Bde.; Spandau 1913; Bd. 1, S. 100, 150, 172, 179f., 190f., 223, 277, 348, 396, 652, 666-669; Bd. 2; S. 403f.

[1] Nachtrag (Feb. 2008):
Wenn oben gesagt ist, daß es bis dato noch keine Neuausgabe gäbe, so sei hier angemerkt, daß mittlerweile zwei seiner Werke (mitsamt anderer Materialien) in der Reihe Fundstücke beim Wehrhahn-Verlag neu aufgelegt worden sind – allerdings unter seinem bürgerlichen Namen ohne jeglichen Hinweis darauf, daß es sich um Tharsander handelt. Worin diese seltsamen editorischen Fehlentscheidung – da der Autor eher (wenn überhaupt) unter seinem Gelehrtennamen bekannt sein dürfte – begründet ist, bleibt unersichtlich. Sie ist eben so abwegig wie eine Werkausgabe Novalis’ alleinig unter dem Namen Friedrich von Hardenberg.

Wegner, Georg Wilhelm; Das verwirrete und wieder beruhigte Reich der Todten; ed. Völker, Martin A.; (Fundstücke 8); Hannover 2004.
Ders.; Philosophische Abhandlung von Gespenstern; ed. Völker, Martin A.; (Fundstücke 11); Hannover-Laatzen 2006.


ZUSAMMENFASSUNG
Tharsander (Georg Wilhelm Wegner)

Tharsander wurde am 10. 9. 1692 als Georg Wilhelm Wegner in Oranienburg (nördlich von Berlin) geboren. 1706 kam er auf das königl. Joachimsthalische Gymnasium in Berlin. Mit 18 Jahren wechselte er auf die Universität nach Halle und von dort zu Ostern 1711 nach Jena, wo er zwei Jahre blieb. Dort hörte er Vorlesungen über Philosophie, Theologie und Physik. Ende 1713 wurde er Hauslehrer auf einem märkischen Gut. Dort beschäftigte er sich eingehend mit Mathematik, insbesondere Geometrie. Er begann, die magischen Bücher durchzugehen, was den Grundstock zu seinem späteren Hauptwerk bilden sollte.

1719 kam er ins Predigtamt und war Vikar beim Pfarrer von Germendorf und Nassenheide, unweit von Oranienburg. Im Jahr 1721 starb dieser und er wurde sein Nachfolger Im folgenden Jahr heiratete Tharsander dessen Witwe Anna. Am Morgen des 1. Mais 1727 brach unter nie völlig geklärten Umständen Feuer unter dem Strohdach hervor. Da sich seine Studierstube ausgerechnet im Obergeschoß des Hauses befand, ging ein Großteil seiner Bibliothek sowie seine Handschriften und mathematischen Instrumente verloren.

Neben einigen kleineren Veröffentlichungen, fing er 1730 an, den Traktat wider die Alchimie zu schreiben, der aber erst 1744 unter dem Titel "Adeptus ineptus" erschien. Für die Herausgabe der verbesserten und erweiterten 3. Auflage vom durch Uranophilo begonnenen "Hauß- und Reise-Calender" gebrauchte er 1733 zum ersten Mal das Pseudonym Tharsander. Im gleichen Jahr begann er auch sein Hauptwerk "Schau-Platz Vieler Ungereimten Meynungen und Erzehlungen", für das er insgesamt acht Jahre benötigte. 1746 erschien anonym seine Satire "Das verwirrete und wieder beruhigte Reich der Todten". Das Werk setzt sich mit dem Aberglauben an Gespenster auseinander.

1754 starb seine Frau und drei Jahre später sein Sohn. Er selbst hatte es auf ein damals beachtliches Alter von 73 Jahren gebracht und verschied am Freitag, den 16. August 1765 - nachdem er drei Wochen bettlägerig gewesen war. In seinem Testament vermachte Tharsander alle seine Bücher der Spandauer Kirchenbibliothek.

Sein Hauptwerk, in dem er viel gesammeltes Material über Volkssagen und Volksglauben verarbeitet, sollte den damals noch allerorts vorhandenen Aberglauben aufdecken. In der Vorrede zum ersten Band heißt es auch, Leichtgläubigkeit und Aberglaube seien zwei Ungeheuer, die viel Schaden anrichten, indem sie den Verstand mit vielen falschen und schädlichen Begriffen zum Nachteil der Wahrheit anfüllen.

Mit seinem Œuvre und seiner Bibliothek spiegelt Tharsander beispielhaft den Typus des in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Mark Brandenburg des öfteren anzutreffenden aufgeklärten Landgeistlichen wieder. Nicht selten gingen diese in ausgeprägter Form - bis hin zur Komik - ihren Sonderinteressen nach.

Tharsanders schriftstellerische Arbeiten sind heute weitgehend unbekannt. Neuausgaben sind bis dato nicht erfolgt. Dabei gäben sie einen interessanten Einblick, wie aufklärerisches Gedankengut umzusetzen versucht wurde. So zeigen seine Werke nicht nur auf, was noch im 18. Jahrhundert allgemein im Volksglauben verbreitet war, sondern bieten uns auch die Möglichkeit des Vergleichens, welche (abergläubischen) Vorstellungen noch heute bekannt und beliebt sind.