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LITERATUR


Siegfried: Versuch, von Hitler zu gewinnen
Harry Mulisch
"Siegfried - Eine schwarze Idylle"
De Bezige Bij

Anfang Februar erschien in Niederlande das Buch Siegfried, der neue Roman von Harry Mulisch. Die Erstauflage hat einen Umfang von siebzigtausend Exemplaren. Die deutsche Übersetzung wird im Moment fertiggestellt von Gregor Seferens.

Das Interesse an diesem Buch ist auch in Deutschland besonders groß, so sagte Suzanne Holtzer, Chefredakteurin von Mulischs Verlag De Bezige Bij. "An erster Stelle ist Harry auch dort eine Berühmtheit. Dazu kommt noch, daß er diesmal Fiktion benutzt, um sich über Nietzsche, Hitler, Eva Braun und den Zweiten Weltkrieg auszusprechen. Es kann sein, daß einige Leute darüber sehr empört sind."

Im Buch Siegfried heißt das alter ego von Mulisch Rudi Herter. Hitler, so Herter, ist ein Mann, dem Hunderttausende von analytischen Studien gewidmet wurden. Aber wir wissen noch immer nicht, wer er war oder was ihn trieb. Er ist durch all diese Studien nur unbegreiflicher geworden. "Vielleicht", sagt Herter, "ist Fiktion das Netz, in dem er gefangen werden kann." Herter will also Hitler begreifen, indem er etwas über ihn versinnt.

Herter (und mit ihm Mulisch) spielt danach mit der lebensgefährlichen Thematik, durch "ontologischen Nichtsbeweis" zu erklären, daß Hitler der "absolut logische Antichrist" war, wovon den Philosophen Nietzsche schon träumte. Der Fund: Exakt in dem Moment, wo Friedrich Nietzsche anfing, geisteskrank zu werden, im Juli 1888, wurde Hitler erzeugt.

Bei der Präsentation dieses Buches sprach Amsterdams Bürgermeister Job Cohen: "Sie haben mit Feuer gespielt. Autoren wollen meist von sich selbst gewinnen. Ihre Hauptfigur Rudolf Herter will gewinnen von der häßlichst denkbaren Nullität Adolf Hitler, dadurch daß er ihn begreift. In diesem Kampf haben Sie sich nicht gespart. Um Hitler begreifen zu können, ist eine Art Identifikation unentbehrlich." Der Bürgermeister stellte fest: "Zum Glück sind Sie nicht Herter. Sie sind nur Harry Mulisch."

nz