Thomas Linde befindet sich in einem Schwebezustand  eben noch 
            hat er bei Rot die Ampel überquert, der Unfall schien unvermeidlich. 
            Er, der Jazzkritiker und Beerdigungsredner, hält in diesem Zustand 
            einen letzten Monolog an die "verehrte Trauergemeinde", 
            in der er verschiedenste Facetten seines Lebens kunstvoll zu einem 
            Gesamtporträt verwebt, der Leser ahnt, dass er Abschied nimmt.
            
            So erfahren wir Leser von seiner Münchner Studentenzeit in den 
            späten 60er Jahren, wo sich seine politische und gesellschaftlichen 
            Ideale gründeten, von seinem Lebensweg und dem seiner damaligen 
            Freunde, von seinen Liebesbeziehungen und vor allem von seiner Liaison 
            mit der deutlich jüngeren Lichtdesignerin mit dem symbolträchtigen 
            Namen Iris. In den Begegnungen mit Iris spiegelt sich immer wieder 
            Lindes gegenwärtige Identität.
            
            Eine Wende im Leben Thomas Lindes tritt ein, als er beauftragt wird, 
            die Trauerrede auf seinen Studienfreund Aschenberger zu halten. Lange 
            hat er ihn schon aus den Augen verloren. Im Nachlaß Aschenbergers 
            findet sich Sprengstoff, mit dem dieser die Siegessäule sprengen 
            wollte. Der Sprengstoff dient Linde wie ein Schlüssel zu seiner 
            Vergangenheit, er besucht alte Freunde und zieht Bilanz.
            
            Bei einer Buchpräsentation kreiste die Diskussion um "ROT" 
            immer wieder darum, ob Uwe Timm hier mit seiner, der 68er Generation, 
            abrechnet  ein Thema, das seit Joschka Fischers Werdegang zum 
            Außenminister in vielen Kolumnen Platz fand. Doch erscheint 
            der Roman vielmehr als das Porträt verschiedener Menschen und 
            Lebenswege, die sich unter dem Schlagwort 68er Generation bündeln 
            lassen. Politische Literatur scheint in Deutschland gerade unter den 
            Hype der neuen Jungliteraten selten geworden. Die Erwartungshaltung 
            jedoch einer "Abrechnung mit den 68ern" wird Uwe Timms neuem 
            Roman nicht gerecht. 
            Die Farbe Rot zieht sich dabei wie ein roter Faden durch den Roman, 
            nicht zuletzt weil Thomas Linde eine Arbeit zu diesem Thema schreibt 
            und so vergnügliche Assoziationen schafft. Der Roman erscheint 
            zuweilen wie ein gemächlich erzähltes Puzzle schwarz-weißer 
            Dogma-Filme aus denen rote Elemente hervorstrahlen...
            
            Uwe Timm (geb. 1940)  inzwischen in Berlin ansässig - ist 
            vielen Lesern spätestens seit der "Entdeckung der Currywurst" 
            (Novelle, 1993) ein Begriff. Seinen neuen Roman "ROT" sieht 
            er als den zweiten Teil eines Berlin-Zyklus an, den er mit "Johannisnacht"(Roman, 
            1996) begonnen habe. Wir dürfen auf die Fortsetzung gespannt 
            sein. 
          
          um