DEZEMBER
2007

 
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Ridley Scott: "American Gangster"

"American Gangster"
Ridley Scott
USA 2007

Drehbuchautor Steven Zaillian erzählt in "American Gangster" nach einer wahren Begebenheit die Geschichte des Aufstiegs des schwarzen Drogenbarons Frank Lucas (Denzel Washington) im New York der 1970er Jahre.

Nach dem Tod von Ellsworth "Bumpy" Johnson, dem Paten von Harlem, strebt sein langjähriger Bodyguard und Fahrer Frank Lucas (Denzel Washington) danach, dessen Platz einzunehmen und ihn zu übertrumpfen. Obwohl er in der lokalen Hierarchie nicht besonders weit oben steht, hat Lucas viel von seinem "Mentor" gelernt, er kennt das Drogengeschäft in- und auswendig.

Lucas genialer Coup: Er kauft unverschnittenes Heroin direkt in Thailand (mit Hilfe seines dort ansässigen Cousins und eines thailändischen Generals) und schmuggelt es anschließend in Flugzeugen des US-Militärs (welches zu dieser Zeit Krieg in Vietnam führte) aus Südostasien in die USA. So umgeht er die Mittelsmänner im Geschäft und bringt mit seinem "Blue Magic" ein Heroin auf den Markt, das nicht nur besser als die gestreckten Konkurrenzangebote ist, sondern auch deutlich billiger.

Dadurch gelingt Lucas, was vor ihm noch kein Afroamerikaner geschafft hat, er steht im Drogengeschäft auf einmal über der italienischen Mafia, arrangiert sich mit ihr und lässt sie für sich arbeiten. Dabei achtet er stark auf Effizienz, führt sein Geschäft, als ginge es um ein normales Produkt (was unter anderem bedeutet, dass "Blue Magic" ein Markenname ist, den es zu schützen gilt). Er selbst meidet die Öffentlichkeit, tritt bescheiden auf und versucht ein möglichst unauffälliges Leben zu führen.

Seine Familie geht Lucas jedoch über alles, er zieht sie mit sich aus der Armut, kauft seiner Mutter ein riesiges Landhaus und lässt seine Brüder an zentralen Positionen in seinem "Unternehmen" mitarbeiten.

Das genaue Gegenteil stellt Lucas' Widersacher, Detective Richie Roberts (Russell Crowe), dar. Während Lucas schlank ist, immer einen gut sitzenden Anzug trägt und hellwach aussieht, wirkt Roberts speckig, als ob er schon lange keine Dusche mehr von innen gesehen hat und völlig übermüdet. Während Lucas ein Familienmensch ist und eine hübsche Schönheitskönigin heiratet, die ihn wirklich liebt und die er ebenso liebt, gerät Roberts Privatleben gerade völlig aus den Fugen, er geht fortlaufend fremd, seine Frau will sich von ihm scheiden lassen und den gemeinsamen Sohn mit nach Las Vegas nehmen.

Doch Roberts ist einigen Punkten seinem Gegenspieler auch sehr ähnlich. Er ist sehr ehrgeizig (besteht u.a. erfolgreich das Examen, um als Anwalt tätig werden zu können) und er ist innerhalb seiner eigenen Truppe ein Außenseiter. Als Roberts zusammen mit seinem Kollegen knapp eine Million Dollar in einem Kofferraum findet, steckt er sie nicht wie zu dieser Zeit üblich ein, sondern liefert sie ordnungsgemäß ab. Damit gewinnt er bei seinen Kollegen aber nicht etwa Anerkennung, sondern Misstrauen. Denn in einer Welt, in der nahezu jeder Cop die Hand aufhält, gilt jemand, der sich diesem System widersetzt, als nicht vertrauenswürdig.

Roberts wird Kopf einer Spezialeinheit in New Jersey, er sucht sich seine Leute selber aus, ermittelt gegen Lucas und kommt dahinter, dass er der Kopf des Drogengeschäfts ist und wie die Drogen in die USA geschmuggelt werden (in den Särgen der toten Soldaten). Schließlich kann er eine von Lucas' Lieferung abfangen und diesen damit zur Strecke bringen.

Als Lucas erkennt, dass er Roberts weder einschüchtern noch kaufen kann, muss er angesichts der erdrückenden Beweislast schließlich mit ihm kooperieren. Denn was Roberts wirklich will, ist seine ihm verhassten korrupten Kollegen zur Strecke bringen. Durch die Aussagen von Lucas können schließlich 3/4 aller Ermittler im New Yorker Drogendezernat wegen Korruption belangt werden.

Frank Lucas selbst kam 1991 nach 14 Jahren Haft frei und wirkte als Berater von Denzel Washington auch am Film mit.

Regisseur Ridley Scott hat mit "American Gangster" einen soliden, atmosphärisch dichten Gangsterfilm gedreht, der den Vergleich mit ähnlichen Werken von Martin Scorsese und Brian De Palma nicht scheuen braucht. Fraglich ist allerdings, ob es wirklich 2,5 Stunden braucht, einen solchen Plot zu erzählen. Trotz des berechtigten zeitlichen Aufwands, den Scott in den Aufbau der Charaktere investiert, hätte der Film sicherlich auch auf 1,5 Stunden runtergeschnitten werden können.

Die Besetzung der beiden Hauptcharaktere mit Denzel Washington und Russell Crowe ist dagegen perfekt und bei einem Film, der so stark von seinen Figuren getragen wird, auch unabdingbar.

Von Kritikern wurde nicht ganz zu unrecht moniert, dass der Film das Gangsterleben letztlich doch zu sehr verklärt. Zwar werden auch die Schattenseite von Lucas' Geschäftsleben deutlich (in einer Schnittabfolge ist zu sehen, wie er mit seiner Familie ein Thanksgiving-Essen genießt, während auf der Straße Junkies elendig verrecken), doch letztlich ist er eben doch der Held, der dem guten Cop dabei hilft, die bösen Cops hinter Schloss und Riegel zu bringen. Auch der deutliche Verweis darauf, dass man als Teil einer Gewaltkultur nicht davon ausgehen kann, dass man selbst und seine Nächsten von Gewalt verschont bleiben, ändert nichts daran, dass Lucas der Sympathieträger des Films ist und sein Aufstieg glorifiziert wird.

Da es allerdings vermutlich auch nicht Scotts Anspruch war, einen moralisch korrekten Film zu drehen, und der Streifen ansonsten gut inszeniert wurde, kann man über solche "Mängel" sicherlich hinwegsehen. "American Gangster" ist definitiv sehenswert.

nw