DEZEMBER
2002

 
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MEDIEN


"Bowling for Columbine"
"Bowling for Columbine"
Michael Moore
USA 2002


Der 20. April 1999, ein ganz normaler Tag in Amerika. So beginnt der neue Film des umtriebigen Michael Moore. Die anschließende lapidare Aufzählung dessen, was in den USA ganz normal ist, genügt als Ausgangspunkt für eine der spannendsten und schonungslosesten Dokumentationen, die jemals in den USA gedreht worden sind.

Ganz normal, das heißt: Jener bestellt seine Felder, dieser geht zur Arbeit, und der Präsident läßt wieder einmal Bomben über einem Land abwerfen, dessen Namen wir [die Amerikaner] nicht aussprechen können.“ Von da an beginnt eine filmische Reise durch die dunklen Abgründe des US-amerikanischen Alltags, die weniger tief im Schatten liegen, als von uns Europäern angenommen.

Die Frage, welcher der Film nachgeht, lautet schlicht: Wie kann es sein, daß in den USA jährlich über 11.000 Morde mit Schußwaffen geschehen, während es in anderen Ländern selbst in Extremfällen „nur“ rund 350 sind, meistens deutlich weniger? Um den Kontrast zu verdeutlichen, befragt Moore Menschen in den USA und im benachbarten Kanada zu deren Erfahrungen mit Kriminalität. Fazit: Die Menschen in den USA scheinen ängstlicher zu sein. Während kein einziger Kanadier seine Haustür zu verschließen scheint, die kanadischen Schüler ihre Aggressionen durch Necken anstatt mit Schußwaffen ausleben und die Polizisten auf die Frage nach dem letzten Mord hin lange nachdenken müssen, erscheinen die USA als das reinste kriminelle Inferno.

Seien es die Eröffnung eines Bankkontos, um das versprochene Gratis-Gewehr zu erhalten („Finden Sie es nicht etwas gefährlich, Gewehre in einer Bank auszuhändigen?“), das Gespräch mit dem Bruder eines der Attentäter von Oklahoma City („Finden Sie, Sie sollten auf Ihrer Ranch Plutonium haben dürfen?“ - „Ich will keins.“ - „Aber finden Sie, Sie sollten das Recht dazu haben?“ - „Nun... Es müßte eingeschränkt sein.“) oder schließlich der Showdown mit Charlton Heston, dem altgedienten Hollywood-Idol und Präsident der „National Rifle Association“ (NRA), der sich schließlich, um eine Antwort verlegen, von Moore aus seinem eigenen Haus vergraulen läßt – stets gelingt es dem sympathischen, untersetzten Mann, dem Zuschauer auch traurige Situationen mit viel Witz nahezubringen und ihn diese so viel nachhaltiger verinnerlichen lassen. So schlimm die Thematik ist, man verdrängt sie nicht. Im Gegenteil, man erinnert sich fast gern an den Film, obwohl er mehr als geeignet ist, einem kalte Schauer über den Rücken zu jagen.

Michael Moore ist Regisseur und Schauspieler in seinem Film, ohne die Hauptrolle zu spielen. Sein Erfolgsrezept, bereits in seiner Sozialdokumentation „Roger an Me“ über die Arbeitslosigkeit und Rezession in seiner Heimatstadt Flint erprobt, besteht darin, die eigentlichen, zumeist ahnungslosen Akteure geschickt so zu beeinflussen, daß sie ihre Rolle in seinem „Drehbuch“ improvisieren. Durch seine gründlichen Recherchen erhält man ein schichtenübergreifendes und umfassendes Bild der USA, wenngleich es selbstverständlich vom Zweck des Films geprägt ist. Es bleibt aber die Frage, inwiefern ein Land, das jedem seiner Bürger das Recht auf Waffenbesitz (auch den Besitz kleinerer Kriegswaffen wie M16-Schnellfeuergewehre) verfassungsmäßig garantiert, nicht eben davon geprägt ist.

Es ist ausgesprochen erfreulich, daß ein solcher Film aus den USA kommt. Daselbst zeigte er schon, wie in sich selbst dokumentiert, einen ersten Erfolg: Die Supermarktkette K-Mart, die die Munition für den Amoklauf an der Columbine High School (dem der Film auch seinen Namen verdankt) lieferte, nahm Patronen inzwischen aus ihrem Angebot.

mp