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Dunkle Schatten
Dunkle Schatten
Bundesministerium des Innern
Freeware, 1996 bis 2000

 

 

Dunkle Schatten nennt sich eine kostenlose Abenteuer-Spiele-Serie des Bundesministeriums des Innern. Dunkle Schatten wirft sie in der Tat – nämlich auf den Umgang mit dem Rechtsextremismus.

Spielte man in den Teilen 1 und 2 noch den Schüler Karsten Wegener, der irgendwo in einem kleinen Dorf erfolgreich versucht, der lokalen Skinheadgang auf die Füße zu treten, so verlegt Teil 3 die Handlung kurzerhand nach Berlin. Karsten hat dort eine „Multimedia-Agentur“ mit dem aussagekräftigen Namen „apropos“ eröffnet, deren Photograph nun seinen Chef als Hauptfigur des Spiels abgelöst hat. Natürlich muß auch hier wieder ein Verbrechen aufgeklärt werden, das sich mit zunehmender Spieldauer in immer mehr, immer unübersichtlichere, immer kleinere Vergehen aufspaltet.

Waren die Handlungsstränge der beiden früheren Teile noch nachvollziehbar, so ist Teil 3 der absolute Griff ins Klo. So stellt sich die Frage, ob es nicht mal an der Zeit wäre, sich neue Wendepunkte des Geschehens einfallen zu lassen als den obligatorischen Wohnungseinbruch inklusive verkehrt herum geschmierten Hakenkreuzen an den Wänden. Zudem ist es ratsam, alle Teile gespielt zu haben, wenn man Wert darauf legt, mit all den auftauchenden Personen etwas anfangen zu können. Leider liegen zwischen einer Episode und der nächsten jeweils mehrere Jahre – in denen sich auch Betriebssysteme ab und an mal ändern.

Überziehen oder Verharmlosen, das ist der Eindruck, den das neueste Abenteuer hinterläßt. Verharmlosend wirken beispielsweise die allzu jugendlichen „Schauspieler“, die, jeweils in drei verschiedenen Posen photographiert, dem Spiel Authentizität verleihen sollen und sich nichtmal das Lachen verbeißen können. (Kein Wunder bei albern hineingemalten Schnurrbärten und dergleichen.) Überzogen wirken dagegen die Pläne der „Skinheads“ – die eher wirken wie am Bahnhof eingesammelte Sozialfälle – während eines Gedenktags gleich kubikmeterweise Giftgas per Flugzeug über der Berliner Innenstadt zu versprühen. Sicher wird es genügend Verrückte geben, die von so etwas träumen, aber als Pointe eines Computerspiels für Minderjährige? Ging es nicht ein paar Nummern kleiner?

Damit nicht genug, will es das Spiel ermöglichen, „unsere aufregende Hauptstadt“ kennenzulernen. Und tatsächlich sind solche Gimmicks wie der 360°-Rundblick von der Siegessäule schön anzuschauen, haben mit dem Spiel aber überhaupt nichts zu tun. Umso enttäuschender das Bild, das der Spieler „von unten“ erhält, zumal die „Schauplätze“ völlig willkürlich ausgewählt sind. Welcher Berliner geht beispielsweise ins „Tiergarten-Café“? Das Innenministerium und die Bochum-Wattenscheider Softwarefirma Phenomedia, die für das Programm verantwortlich zeichnen, haben dabei schlichtweg einiges übersehen.

Erstens: Berlin ist kein Dorf. Dementsprechend unglaubwürdig ist es, ländliche Verhältnisse (in diesem Fall vor allem das stereotype „Jeder-kennt-Jeden“) in die Großstadt zu übertragen. Das ist gerade deshalb ungeschickt, weil das Spiel den Anspruch auf Ernsthaftigkeit erhebt.

Zweitens: Es tut nicht gut, gegen Rechtsgerichtete mit genau derselben Sprache vorzugehen, die auch von ihnen selbst benutzt wird. So ist der „Kampf“ gegen den Rechtsextremismus das „Gebot der Stunde“, und rassistische Gewalttaten (und nur die?) müssen „ausgemerzt“ werden, um nur wenige zu nennen. Natürlich! Aber kann das nicht mit weniger kriegerischen, weniger nazistisch infiltrierten Vokabeln zum Ausdruck gebracht werden? (Das Spiel hält sich da, im Vergleich zu anderen Kampagnen, glücklicherweise noch zurück.) Da kann man wirklich nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte.

Drittens: Es sollen verschiedene Blickwinkel ermöglicht werden. Zu Beginn des Spiels kann gewählt werden, ob die Figur deutscher oder türkischer Abstammung ist – Auswirkung auf den Verlauf: Gleich null. Außerdem tauchen noch ein vietnamesischer Kioskbudenbesitzer samt Sohn sowie einige wenige Türken vor einer Dönerbude auf. Und das soll buntes Multikulti sein? Es ist auffallend schwarzweiß.

Viertens und letztens wird das Programm seiner Zielgruppe überhaupt nicht gerecht. Die häufigen Fehler in der Programmierung, die unbequeme und langsame Spielsteuerung und somit der mangelhafte „Komfort“ in der Bedienung schrecken allzu viele sicher ab. Erforderlicher Speicherplatz: 255 Megabyte. Ein Wahnwitz. Kein Wunder, daß Spiele wie Doom, Quake, HalfLife und Konsorten eine ungleich größere Fangemeinde haben.

Fazit: Die Idee, durch Medien wie Computerspiele auch politisch desinteressierte Teenager zu erreichen, ist gut. Schade, um nicht zu sagen erschreckend, daß die Umsetzung so stark zu wünschen übrig läßt. War wieder mal nicht genug Geld für eine akzeptable Lösung da, oder ist es einfach fahrlässige Unachtsamkeit des Ministeriums?

Wer gelegentlich beim „Saufen gegen rechts“ auftaucht, beweist – in einer Gesellschaft, in der bereits die Teilnahme an einer simplen Demonstration als solche gilt – jedenfalls mehr Zivilcourage. Und wer sich schöne Bilder von Berlin im eigenen Rechner ansehen will, investiert ein paar Mark in vernünftige Software. Oder gleich in einen Reiseführer.

mp