FEBRUAR
2005

 
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MUSIK



Der Cool Jazz - Eine Hoffnung auf Wiedergeburt




Der Cool Jazz entstand Ende der 40er Jahre als eine Art Gegenbewegung zum Bebop. Entstehungsgeschichtlich scheint es aber eher eine Bewegung weißer Musiker gegen die als "Übermacht" empfundene Dominanz der schwarzen Musiker im Jazz gewesen zu sein, denn zu Beginn des Cool Jazz war dieser eine nahezu rein weiße Musik (Gil Evans, Gerry Mulligan, Stan Getz, Lee Konitz). Allerdings kamen schon sehr bald auch farbige Jazzer zum Cool Jazz, und ohne Frage haben auch und gerade sie Bedeutendes zum Cool Jazz beigetragen, ja, diesen zunehmend auch geprägt und weiterentwickelt (man denke nur an Miles Davis und die Musiker aus seiner Umgebung). Die Schallplatten-Einspielung eines schwarzen und eines weißen Musikers mit einer Begleitband war es dann auch, die dem Ganzen seinen Namen gab: "Birth of the Cool" von Miles Davis und Gerry Mulligan.

Den Cool Jazz kann man aber auch durchaus als Gegenstück zum Bebop definieren: War der Bebop vor allem geprägt von schnellen Abläufen, die nicht selten unruhig und hektisch wirkten, ist der Cool Jazz langsamer, zurückhaltender, schnörkelloser, "lässiger", manche sagen auch intellektueller.

Kennzeichnend war aber vor allem das Bemühen der frühen Cool Jazzer, eine der europäischen E-Musik ebenbürtige Kunstmusik zu schaffen und zu etablieren. In dieser Frühphase trat besonders Dave Brubeck und sein 1949 gegründetes Trio (später Quartett) als Vorreiter des Jazz als Kunstform hervor.

Die Themen der Cool Jazzer sind größtenteils komponiert, die Stücke haben eine festgelegte Form (was sie manchmal "streng" erscheinen lässt), und manche erinnern sogar an Suiten oder Fugen. Aber um dieses komponierte Thema herum wird natürlich improvisiert, wie das beim Jazz nun einmal üblich ist, ja, was als Seele des Jazz geradezu unabdingbar ist! Allerdings tritt bei den Cool Jazzern die Gruppenimprovisation deutlich hinter die Soloimprovisation zurück, was dem Ganzen neben der strengen Form der Stücke auch etwas Kammermusikalisches gibt. Manchmal erinnert diese Art der Improvisation sogar an die Generalbasstechnik des Barock, wobei allerdings der Cool Jazz natürlich viel freiere Improvisationen erlaubt und ermöglicht.

Ein nicht unwesentliches Stilmerkmal des Cool Jazz ist das fast vibratolose Spiel der Blas-Instrumente. Dieses vibratolose oder zumindest vibratoarme Spiel wird Cool Sound genannt, was sich vor allem auf ein verändertes Klangbild bei Trompete und (Alt- bzw. Tenor-) Saxophon auswirkte, den wesentlichen Blasinstrumenten des Cool Jazz.

Die Blüte des Cool Jazz und die wichtigste Phase in den Karrieren vieler Cool-Sounder waren die 50er Jahre. Spätestens mit Davis' kaum hoch genug einzuschätzender "Kind-of-Blue"-Einspielung war die hohe Zeit des Cool Jazz vorbei, auch wenn Musiker wie Stan Getz und vor allem Lee Konitz diesem Jazzstil nie wirklich untreu wurden, obwohl beide später auch davon Unabhängiges entwickelten. Lee Konitz spielt bis heute in der Art des Cool Jazz, wenn auch in einer zeitgemäßen und weiterentwickelten Form und mit Musikern, die in den 50er Jahren noch gar nicht geboren waren (z.B. mit dem Pianisten Brad Mehldau).

Da nun bereits wichtige Namen genannt wurden, sollen auch weitere Hauptvertreter wenigstens kurz erwähnt werden, um es dem interessierten Leser zu erleichtern, in den Untiefen des Internets danach zu suchen:

Da ist zum einen der Pianist Lennie Tristano (1919-1978), der vor allem als Lehrer und mit seinem Lehrinstitut großen Einfluss auf den Cool Jazz und seine Anfangszeit hatte. Und neben den bereits erwähnten Davis, Mulligan, Konitz, Getz und Brubeck sollen auch der androgyne Rebell Chet Baker (1929-1988), Trompeter und Sänger, der Dave Brubeck kongenial zur Seite stehende Altsaxophonist Paul Desmond (1924-1977) sowie der Trompeter Dizzie Gillespie (1917-1993) ausdrücklich genannt werden.

Manchmal wird das wenig expressive, intellektuelle Spiel des Cool Jazz als "zu kopflastig" empfunden; das ist sicherlich nicht falsch. Allerdings ist in fast allen Stücken des Cool Jazz durchaus auch "der Bauch" zu finden, d.h. neben dem Intellekt spielt auch die Emotion mit, und hinter dem Standard zeigt sich vor allem immer auch die Individualität. Wie in allen Jazzformen, so wird auch im Cool Jazz nicht nur aus "akademischem Interesse" heraus musiziert, sondern aus innerer seelischer Notwendigkeit, und diese innere Notwendigkeit kann der unvoreingenommene Hörer genauso aus dem Cool Jazz heraushören wie er z.B. für den Bebop geradezu charakteristisch ist.

Hin und wieder wird der Cool Jazz aber auch (aus heutiger Sicht) als zu sanft und zu glatt, ja, geradezu als langweilig empfunden. Hierbei wäre dann zu fragen, ob die leisen, ruhigen Töne heutzutage nicht mehr wichtig sind? Darf (ja, muss) diese Art des Jazz nicht gerade heute, in einer in ihrer lärmenden Hektik kaum erträglichen Zeit, nicht ein Gegenpol zu all dem Chaos und dem Lärm der Mittelmäßigkeit sein, quasi ein notwendiger Widerpart zur entweder tümelnden, seichten, verharmlosenden oder aber zur das Trommelfell grausam folternden U- und E-Musik heutiger Tage? Der ruhigere, leisere Jazz hat sicherlich genauso seinen notwendigen Platz neben dem unruhigen, schrägen und manchmal auch herzerfrischend flippigen Jazz, den wir besonders seit Erfindung des Free Jazz kennen.

pb