Wer von uns hat als Kind nicht schon einmal versucht, eine Geheimsprache 
            zu erfinden oder Texte zu verschlüsseln, z.B. indem man Worte 
            abwandelt, Laute einschiebt oder sich bestimmte Geheimzeichen ausdenkt.
            
            Doch natürlich ist dies nicht nur Kinderspielerei. Mit wirklichen 
            Geheimsprachen beschäftigt sich die internationale Gesellschaft 
            für Sondersprachen. Einer ihrer Forschungsgegenstände ist 
            das Rotwelsche (rot = Bettler, Spielleute, Possenreißer; welsch 
            = Bezeichnung für die romanischen Sprachen und nicht verständliche 
            Redewendungen), die deutsche Gaunersprache. Diese Sprache existiert 
            ungefähr seit Mitte des 13. Jahrhunderts und fasst die eigenen 
            Dialekte einiger reisender Händlergruppen zusammen. Sie dienten 
            zur sozialen Abgrenzung und zur Schaffung eines Zusammengehörigkeitsgefühls, 
            aber auch zur Wahrung der Berufsgeheimnisse der fahrenden Händler. 
            So stammen die Ausdrücke Muffe (Angst), Schmuh (Betrug) oder 
            Maloche (Arbeit), die inzwischen in die allgemeine Umgangssprache 
            übergegangen sind, aus dieser heute so gut wie nicht mehr gesprochenen 
            Geheimsprache.
            
            Eine weitere vom Aussterben bedrohte Geheimsprache ist das Nu Shu. 
            In der Region Jianyong, Provinz Hunan in China verständigten 
            sich ausschließlich Frauen untereinander in dieser Sprache, 
            die die Männer nicht verstanden. Dies stärkte natürlich 
            die dennoch schwache Position der Frauen, denen u.a. der Schulbesuch 
            strikt untersagt war. Die Männer betrachteten diese unliebsame 
            Auflehnung allerdings als Hexerei.
            
            Generell weisen also in gewisser Hinsicht alle Gruppensprachen, die 
            sozialer Abgrenzung dienen, wie z.B. Jugendsprache, Charakterzüge 
            von Geheimsprachen auf. Ein anders gelagerter Fall trat aber im ersten 
            Weltkrieg auf. Hier wurde eine eigentlich völlig normale Sprache 
            zur Geheimsprache: Die Amerikaner setzten nämlich Navaho-Indianer, 
            deren Idiom sehr kompliziert ist und von keinem feindlichen Experten 
            beherrscht wurde, ein, um ihre Militärkommunikation geheim zu 
            halten.
            Eine andere Möglichkeit, Botschaften zu übermitteln und 
            dabei unerwünschte Mitwisser zu vermeiden, ist die Kryptographie 
            (gr. kryptos = geheim, graphein = schreiben), also die Verschlüsselung 
            von Nachrichten. Man vermutet, dass schon bald nach der Entstehung 
            der Schriftsprache auch Verschlüsselungen erfunden wurden. Eine 
            der ältesten Techniken ist Atbash. Diese hebräische Geheimschrift 
            kehrt einfach das Alphabet um. So steht also "z" für 
            "a", "y" für "b", usw. Ebenfalls 
            als Substitutionsverfahren funktioniert der von Caesar für seine 
            Korrespondenz mit Cicero erfundene Schlüssel. Jeder Buchstabe 
            im Klartext wir durch den im Alphabet drei Stellen weiter links liegenden 
            Buchstaben ausgetauscht. Solche Methoden sind jedoch durch die Kryptoanalyse 
            relativ leicht zu entschlüsseln. Hierbei können bestimmte 
            Buchstaben aufgrund ihrer signifikanten Häufigkeit (im Deutschen 
            ist z.B. der Vokal "e" mit über 17% Häufigkeit 
            in einem durchschnittlichen Text der meistgebrauchte) identifiziert 
            werden und das reicht, um auf den Rest zu schließen.
            
            Ein wenig kniffliger zu knacken ist da schon die polyalphabetische 
            Verschlüsselung: In diesem Fall wählt man ein Schlüsselwort. 
            Zur ursprünglichen Position im Alphabet wird nun nicht wie bei 
            Caesar ein fester Wert, sondern jeweils die Position des jeweiligen 
            Buchstabens im Schlüsselwort addiert. Ist das Schlüsselwort 
            etwa "Dame", dann muss der erste Buchstabe des Klartextes 
            um vier Stellen im Alphabet verschoben werden ("d" liegt 
            an vierter Stelle im Alphabet), der zweite um eine Stelle (a=1), usw.
            
            Derartige, bzw. raffiniertere Verfahren wurden v.a. in den zwei Weltkriegen 
            verwendet. Die von Deutschland verwendete Verschlüsselungsmaschine 
            "Enigma" arbeitete mit Walzen, die zur Codierung der Buchstaben 
            gegeneinander verdreht und in ihrer Reihenfolge vertauscht wurden. 
            Trotzdem gelang es, auch diese Nachrichten zu entschlüsseln.
            
            Bis heute hat sich die Kryptologie sprunghaft weiterentwickelt. Einfache 
            Schlüssel reichen schon lange nicht mehr aus. Es werden immer 
            ausgefeiltere mathematische und algorithmische Verfahren entwickelt, 
            um die Vertraulichkeit von Kommunikation, Datenspeicherung oder inzwischen 
            schon alltäglich gewordenen rechnergestützten Geschäften 
            wie Internetbanking zu gewährleisten. Ohne Kryptologie und Geheimsprache 
            wäre die moderne Datenkommunikation in der heutigen Form wohl 
            kaum denkbar.
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