FEBRUAR
2008

 
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SPRACHE

PRAGMATIK
Reden und Handeln

Lange Zeit stellte man sich vor, dass beim Sprechen einfach Inhalte zwischen den Beteiligten transportiert werden. Aber ist nicht jeder Akt des Sprechens gleichzeitig eine Aktion? Sprechen ist immer auch Handeln: Dies ist das Leitthema der linguistischen Pragmatik.


Jedes Mal, wenn wir sprechen, vollziehen wir eine Handlung. In der Pragmatik wird Sprache und ihre Bedeutung von dieser Perspektive aus ergründet. Während die Semantik, die Lehre von den sprachlichen Zeichen, die kontextunabhängige Bedeutung von Wörtern und Wahrheitsbedingungen von Sätzen zu ihrem Untersuchungsgegenstand macht, änderte sich dies mit dem sogenannten "pragmatic turn" ab den sechziger Jahren: Nach und nach wurde die Sprache als Handlung aufgefasst, unter Betonung des Kontexts, der Situation und der Verwendung gesehen. Die Bedeutung der Sprache schien mit Wittgenstein v. a. aus ihrem Gebrauch ableitbar. Damit begann sich die sprachwissenschaftliche Richtung der Pragmatik zu entwickeln.

Vorreiter waren Austin und Searle, auf die die Sprechakttheorie zurückgeht: Was geschieht, wenn ein Sprechakt vollzogen wird? Welche Ebenen hat ein Sprechakt? Wenn z. B. jemand sagt: "Kannst Du bitte das Fenster schließen?", dann hat diese Äußerung eine bestimmte lautliche Form und einen Inhalt. Doch dies ist nicht alles: Mit dem Satz wird eine Aufforderung gemacht, eine Handlung vollzogen, und zu guter Letzt auf eine bestimmte Wirkung (das Schließen des Fensters) abgezielt. Manchmal enthält der Sprechakt keine Aufforderung o. ä., sondern nur eine einfache Behauptung oder eine Feststellung, aber eine Handlung ist es immer.

Diese Handlungen entwickeln zum Teil besondere Formen. So der indirekte Sprechakt: Wenn man anstatt der obigen Aufforderung nur die Bemerkung "Es ist kalt hier drin" fallen lässt, dann ist dies zwar zunächst einmal nur eine Feststellung. In einer bestimmten Situation kann es sich aber indirekt auch um eine Aufforderung handeln. Derjenige, der friert und dies äußert, hätte gerne, dass das Fenster geschlossen wird, um diesem Zustand abzuhelfen. Interessant ist auch der performative Sprechakt. Er wird durch bestimmte Verben gekennzeichnet, z. B. "taufen". Das besondere ist, dass mit solchen Verben die darin ausgedrückte Handlung durch die Äußerung gleichzeitig vollzogen wird: Wenn der Pfarrer spricht "Ich taufe Dich auf den Namen Hans", dann heißt das Kind fortan Hans. Diese Sprachhandlungen beziehen einen Teil ihrer Wirkungskraft aus ihrer rituellen und konventionellen gesellschaftlichen Verankerung.

Ein weiterer Aspekt, mit dem sich die linguistische Pragmatik beschäftigt, ist die Kooperation zwischen Gesprächspartnern. Diese folgen unbewusst bestimmten Regeln, die Grice als Konversationsmaximen zusammenfasst. Der Sprecher muss, um sich kooperativ zu verhalten, möglichst informativ, aber knapp, ausdrücken und sowohl wahre als auch relevante Information auf eine klare Art und Weise übermitteln. Macht der Sprecher eine Äußerung, die auf den ersten Blick diesen Anforderungen nicht zu genügen scheint, so versucht der Zuhörer durch Schlussfolgerungen den Sinn dahinter zu erfassen, da er annimmt, dass sich sein Gesprächspartner ihm gegenüber kooperativ verhält. Wenn sich ein Ehepaar unterhält und sie fragt ihn "Wollen wir morgen die Müllers zum Essen einladen?" und er antwortet darauf "Morgen ist doch Mittwoch.", dann erscheint die Antwort nicht auf die Frage einzugehen. Die Ehefrau weiß aber, dass ihr Mann traditionell jeden Mittwoch zum Stammtisch geht. Durch Schlussfolgerungen kann sie ableiten, was ihr Mann mit seiner Äußerung impliziert haben muss, damit diese im Zusammenhang relevant ist: Er möchte wohl den Stammtischtermin auch zugunsten der Müllers nicht platzen lassen.

All diese Beispiele zeugen von der Perspektive, die die Pragmatik auf die Sprache wirft. Und damit wird der häufig beschworene Gegensatz zwischen Reden und Handeln, der in der Aufforderung "Nicht reden, handeln" gipfelt, relativiert: Denn Reden ist in gewisser Weise immer auch Handeln.

bk

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