JUNI
2002

 
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Was heißt'n das: "Kohabitation"

 

Ko - ha - bi - ta - tion

Stellen Sie sich vor, Sie säßen in einer Quizshow und würden folgendes gefragt:

Was ist Kohabitation?

a) das Beisammensein verschiedener Kulturen auf einem definierten Raum
b) ein bildungssprachlicher Ausdruck für Geschlechtsverkehr
c) die Zusammenarbeit eines Staatsoberhauptes mit einer Regierung, die nicht dem gleichen politischen Lager angehört

Nicht unten weiterlesen, was würden Sie antworten?

Gewonnen, alle drei Anworten sind richtig. Im folgenden möchte ich ein bißchen genauer auf das Konzept der politischen Kohabitation eingehen.

Der Begriff Kohabitation kommt von dem lateinischen Verb cohabitare (zusammenwohnen). Die politische Kohabitation ist hauptsächlich ein französisches Phänomen. Man spricht von Kohabitation, wenn der Staatspräsident und die über die parlamentarische Mehrheit verfügende Regierung nicht der gleichen politischen Richtung angehören.

Diese Konstellation ist durchaus mit der französischen Konstitution vereinbar, war sie auch weder von den Verfassern noch von Charles de Gaulle vorgesehen. Der Gründer der V. Republik äußerte sich bei einer Pressekonferenz am 31.01.1964 sehr deutlich zu der Thematik: "Oh! Natürlich sollte es keine Dyarchie an der Staatsspitze geben. Aber dem ist ja auch nicht so."

Und tatsächlich sollte es noch lange dauern, bis die Wähler sich für eine Kohabitation entschieden. 1986 teilten sich mit dem sozialistischen Präsidenten François Mitterrand und dem neogaullistischen Premierminister Jacques Chirac erstmalig zwei Politiker aus entgegengesetzten politischen Lagern die Macht an der Staatsspitze. Die folgenden zwei Jahre der Kohabitation waren von Konflikten, Kompetenzgerangel und einer lebhaften Diskussion über die Definition der beiden Staatsämter geprägt.

Bis 2002 gab es noch zwei weitere Kohabitationen sehr unterschiedlichen Charakters. Das Verhältnis zwischen François Mitterrand und dem bürgerlich- liberalen Premierminister Edouard Balladur (Kohabitation von 1993 bis 1995), beruhte auf gegenseitigem Respekt.

Die längste und sicherlich erbittertste Kohabitation zwischen Jacques Chirac, diesmal Präsident, und dem Sozialisten Lionel Jospin dauerte von 1997 bis 2002. Die Regierungsarbeit wurde zumindest in ihrer Endphase besonders stark durch die Tatsache beeinflußt, daß beide Staatsmänner für das Amt des Präsidenten in der nächsten Legislaturperiode kandidierten.

Die Bilanz dieser drei Kohabitationsphasen fällt sehr unterschiedlich aus. Politiker und Politikwissenschaftler stehen einer solchen Konstellation an der Staatsspitze häufig kritisch gegenüber und die Stimmen, die nach einer Verfassungsreform rufen, werden lauter. Ihnen zufolge führt das System der Kohabitation letztendlich zu einer Lähmung der politischen Aktivitäten.

Schenkt man jedoch den Umfragen Glauben, ist die Kohabitation bei den Wählern eher beliebt, sicherlich weil sich die Wähler zweier politischer Lager zu Kohabitationszeiten repräsentiert fühlen. Ob es mit den Parlamentswahlen im Juni in Frankreich zu einer vierten Kohabitation kommt, bleibt abzuwarten.

Das es sich bei der Kohabitation nicht ausschließlich um ein französisches Phänomen handelt, ist den wenigsten bewußt. Doch auch in Bulgarien findet man eine solche Dyarchie an der Staatsspitze. Der ehemalige König und derzeitige Ministerpräsident Simeon Saxe-Coburg Gotha regiert hier gemeinsam mit dem sozialistischen Staatsoberhaupt Georgi Parwanow.

jn