| DEZEMBER | 
| 2002 | 
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| Im Reich 
          des Taschendrachens und des Kniebeißers | ||
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|  Im Jahr 
          2002 hat der Pons-Verlag zum zweiten Mal sein Wörterbuch der Jugendsprache 
          (Deutsch-Englisch-Französisch-Spanisch) herausgebracht. Dabei handelt 
          es sich nicht um ein gewöhnliches Nachschlagewerk: In welchem anderen 
          mehrsprachigen Wörterbuch sind schon zuerst einmal Erklärungen 
          zu den Ausdrücken der Ausgangssprache zu finden? Wo sonst haben 
          die Sprecher selbst den größten Teil zum Entstehen des Wörterbuchs 
          beigetragen?  
           Das neu erschienene Werk enthält gerade einmal ca. 250 Ausdrücke, die vor allem von Jugendlichen gebraucht werden und die zum großen Teil auch von ihnen geschaffen wurden. Dafür sind diese jeweils - neben der Erklärung auf Deutsch - in drei Sprachen übersetzt worden: ins Englische, Französische und Spanische. Das besondere im Vergleich zu anderen Jugendsprachwörterbüchern ist dabei sicherlich sein Zustandekommen. Nicht Experten waren es, die Textkorpora durchkämmt oder Feldstudien angestellt haben, nein, die Jugendlichen selbst wurden in einem Wettbewerb dazu aufgerufen, als Amateurlexikographen die hervortretendsten Wörter ihres Vokabulars herauszufiltern und dem Verlag zuzusenden. Aus diesem Material konnte dann das Wörterbuch entstehen, das damit wohl einen ziemlich authentischen Ausschnitt aus dem aktuellen Stand der Jugendsprache repräsentiert. Der Unterschied zu einem normalen mehrsprachigen Wörterbuch besteht darin, dass sich in den Wortpaaren aus deutschem Standard und deutscher Jugendsprache eigentlich keine zwei eigene Sprachen gegenüberstehen. Jugendsprache ist vielmehr eine Abwandlung der Standardsprache zum Ausdruck einer bestimmten Gruppenzugehörigkeit und Abgrenzung. Damit muss einem beim Durchblättern des Wörterbuchs auch klar sein, dass dieses nur die markantesten Merkmale von Jugendsprache beleuchtet. Ein großer Teil des sprachlichen Registers Jugendlicher ist weit weniger spektakulär und deckt sich zum Teil mit der normalen Umgangssprache. Abgesehen von syntaktischen Eigenheiten von Jugendsprache, wie Satzbrüchen, Einschüben oder Verkürzungen, lassen sich an den Einträgen des Wörterbuchs einige lexikalische Charakteristika der spezifisch jugendlichen Sprachverwendung feststellen. Allgemein wird man auf den ersten Blick die ungewöhnliche sprachliche Kreativität erkennen. Metaphorische Ausdrücke wie Taschendrachen für Feuerzeug und Lungenbrötchen für Zigarette, Gehirnprothese für den Taschenrechner oder andere bildhafte, oft übertriebene Wörter (Evolutionsbremse für Idiot, Kniebeißer für kleines Kind, Krümelhusten für Erbrechen) zeugen von Sprachwitz und spielerischem Umgang mit Sprache. Daneben erhalten Begriffe der Standardsprache manchmal auch einfach eine neue Bedeutung. Ist von cremig die Rede, dann ist soviel wie locker oder cool gemeint, und saugen wird durchaus nicht nur im Sinne von staubsaugen sondern auch als das Herunterladen aus dem Internet aufgefaßt. Außerdem trifft man auf völlige Neubildungen, wie Bratze für ein unattraktives Mädchen, daddeln für Computerspiele spielen oder stratzen anstatt des Standardworts gehen. Da die Jugend- und Popkultur stark englischsprachig geprägt ist, fehlen natürlich auch Anglizismen nicht: Ein Faker ist ein Simulant und ein Poser ein Angeber. Ein weiteres Merkmal stellt die Direktheit der jugendlichen Sprache dar, leicht nachzuvollziehen an drastischen Ausdrücken wie abkacken (versagen). Zur Steigerung der Expressivität werden zusätzlich häufig Vergrößerungsadverbien - z.B. derbe, fett, hammerst, krass für sehr (gut) - eingesetzt. Auch Ausrufe des Typs Mach' Banane (Beeil Dich) sind nicht selten. Die Übersetzungen in die anderen Sprachen fallen dabei sehr unterschiedlich aus: Teilweise konnten entsprechende jugendsprachliche Ausdrücke gefunden werden, die den Sprachwitz der deutschen Pendants widerspiegeln. Aber überall war es nicht möglich, da eben die Jugendsprachen in anderen Ländern nicht unbedingt für dieselben Phänomene neue und originelle Ausdrücke erfinden. Hinzu kommt, dass hier wohl nicht mit den dortigen Jugendlichen direkt zusammengearbeitet wurde. Alles in allem macht es einfach Spaß, die Lebendigkeit von 
            Sprache in den Sprachspielen, dem kreativem Umgang mit Sprache und 
            den witzigen, originellen Wörtern zu spüren. Vielleicht 
            hängt jedoch das vermehrte Interesse an Jugendsprache und die 
            Erstellung eines solchen Wörterbuchs auch mit der gesellschaftlichen 
            Tendenz zusammen, Jugendlichkeit einen immer höheren Stellenwert 
            zuzuschreiben. bk | ||