APRIL
2002

 
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LITERATUR


Interview mit dem kanadischen Autor Terry Woo

CERYX: Hallo Terry, wie ist es dir ergangen, seit dein Buch veröffentlicht wurde?

Terry Woo:
Das ist jetzt etwas mehr als ein Jahr her - es wurde im Oktober 2000 veröffentlicht. Bis jetzt ist es nicht in den Ramschkisten gelandet - und das ist ein gutes Zeichen.

CERYX:
Welcher der Charaktere steht dir am nächsten? Ist es Mike, der selbst ein Autor werden möchte?

Terry Woo:
Ich glaube, es klingt wie eine Ausrede, aber ich bin in alle Personen hineingemixt (man mische noch etwas Alkohol dazu), besonders was Gewohnheiten, Hobbies und Ausdrücke betrifft. Die fünf Charaktere sind eine Kombination von etwa 20 Freunden und Bekannten, die ich im Laufe der letzten Jahre kennengelernt habe. Leute, die mich aus bestimmten Teilen meines Lebens kennen - Arbeit, Business, Schreiben, Platten auflegen - alle scheinen anzunehmen, dass ich einer dieser Charaktere bin, aber ich kann sicher sagen, dass ich nicht nur in einem davon stecke. Dennoch, ich kann zumindest sagen, dass ich am wenigsten wie Shel bin, den ich weitestgehend nach meinem besten Freund entworfen habe (der nun glücklich verheiratet in Hongkong lebt und ein Kind erwartet... verrückt!)

CERYX:
Wie war die Reaktion auf dein Buch in Kanada und den USA?

Terry Woo:
Was ich mitbekommen habe ist, dass das Buch sich ganz gut in Toronto und Vancouver (Britisch Columbia) verkauft - es gibt einen großen chinesisch-kanadischen Bevölkerungsanteil in diesen beiden Städten. Ich versuche gerade eine literarische Vertretung für einen möglichen Handel in den USA, oder sogar in Großbritannien und Australien abzuschließen, wo das Thema - denke ich - auch große Bedeutung hat. Auf jeden Fall ist das Buch weltweit über Online-Buchung bei Chapters-Indigo und über meine eigene Website zu bestellen.

CERYX:
Wie haben chinesisch-stämmige Nordamerikaner auf deine Erzählung reagiert?

Terry Woo:
Sehr, sehr positiv. Ein Teil dieser Leserantworten sind auf meiner Website nachzulesen. Ich glaube, das Buch füllt überall eine Lücke, die von vielen "Chinese Canadian bananas" empfunden wird. Asiatische Literatur in Nordamerika fokussiert meist auf der Vergangenheit oder Sagen über den Eisenbahnbau oder die japanische Internierung im Zweiten Weltkrieg, und in Kalifornien oder Vancouver - und das ist auch bedeutend - oft auch aus einer weiblichen Perspektive. Ich denke wir alle lieben es, über Dinge zu lesen, die uns nahestehen und Banana Boys versucht, diese Rechnung für eine neue Generation Asian-Canadians einzulösen.

CERYX:
Hast du irgendwelche Reaktionen aus Europa erhalten?

Terry Woo: Nein, obwohl Euer CERYX-Bericht eine große Überraschung war, habe ich keine anderen Reaktionen aus Europa bekommen. Aber ich würde natürlich gern, zumal es ja viele Parallelen zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten gibt und ich meine, es gibt ein großes Maß von Relevanz auch für Asiaten, die in Europa aufgewachsen sind, besonders in Großbritannien. Vielleicht hilft dieses Interview ja auch dabei.

CERYX: Was bedeutet es für dich, ein Schriftsteller zu sein?

Terry Woo: Ich liebe es. Es ist meine Leidenschaft und mein Handwerk und ich versuche, soviel wie möglich davon auszuschöpfen. Leider bin ich als Ingenieur ausgebildet und in gewisser Weise an den Lebensstil gewöhnt, den Software-Jobs mit sich bringen. Ich habe den Eindruck, dass die Arbeit mit Computern viel von meiner Kreativität zu schreiben wegnimmt.

CERYX: Mit deinem Roman wolltest du eine andere Geschichte über Asian-Americans schreiben als Amy Tam? Wie beurteilst du ihre Arbeit?

Terry Woo: Ich kann nicht behaupten, dass ich ein Fan von Amy Tam bin. Aber ich muss zugeben, als ich "Joy Luck Club" zum erstem Mal gelesen habe, mochte ich es. Damals gab es sehr wenig Bücher mit asiatisch-amerikanischem oder asiatisch-kanadischem Inhalt, so dass ihr Buch auf mich wie ein Glas Wasser für einen verdurstenden Menschen wirkte. Aber beim genaueren Betrachten ihrer Geschichten fing ich an, ein besonderes Problem ihres Schreibens zu bemerken ­ ihre Bücher machen asiatische Kultur noch exotischer und sie hatten wenig Positives über asiatische Männer zu sagen, so dass der Fortschritt asiatischer Frauen auf Kosten asiatischer Männer geht. Sie versteht es, Geschichten zu erzählen und exotische klingende Mythen hinein zu weben, aber ihr Porträt asiatischer Kultur ist für mich schwer zu verdauen - im Hinblick auf rastlose Gespenster, gequälte Geister und andere fremdartige Praktiken... Für mich war es - gelinde gesagt - enttäuschend, dass jeder nicht-nebensächliche asiatische Mann in dem Buch ein Schuft, Verlierer, Schwächling oder irgendein Bastard war. Mit Banana Boys wollte ich darauf reagieren. Ich wollte etwas wie ein "asiatisch-männliches Anti-Joy Luck Club" schreiben - jünger, hipper und mit mehr Bedeutung für meine Generation. Ich wollte ein Buch mit dem modernen Flavour des Lebens eines Asiatisch-Kanadiers über 20 - mit Musik, Sport, Beziehungen (oder dem Fehlen selbiger), Drinks und so Sachen - schreiben. Ich wollte auch über die bestehenden Beziehungen asiatischer Frauen und Männer schreiben. Die Beziehungen zwischen den Banana Boys und den Frauen in ihrem Leben - Mütter, Schwestern, Freundinnen, Versuchungen, Frauen im allgemeinen. Diese Beziehungen sind sehr unterschiedlich, einerseits sehr wertvoll und leidenschaftlich, andererseits wiederum frustriert und voller Spannungen. Mit Banana Boys wollte ich ein gewisses Maß weltoffener Ehrlichkeit eingeben - und hoffentlich ist es mir gut gelungen und obendrein auch noch gefällig.

CERYX: Ist es in Kanada für junge Autoren schwer, einen Verleger zu finden?

Terry Woo: Es ist sehr schwer. Ich finde, die kanadische Verlagsindustrie hat eine seltsame Art, das Büchergeschäft zu betrachten... "beschränkt" ist ein Wort, das mir dabei in Sinn kommt. Im Gegensatz dazu reagieren Verleger in den USA mehr auf neue und innovative Ideen (das muss diese "go-go-go capitalist"-Ethik sein). Aber Schreiben und Publizieren sind zwei verschiedene Dinge. Ich bin mir sicher, dass das Schreiben das wichtigste ist... und der zweite Schritt, das Publizieren, kommt von allein, wenn Du es nur genug willst. Wenn ein Trottel wie ich es geschafft hat, schafft es jeder...

CERYX: Wie groß ist der Einfluss des Verlegers auf deine Arbeit gewesen?

Terry Woo: Ziemlich gut - wir hatten einige interessante Konflikte über das Buch. Aber sie haben mit Sicherheit das Endprodukt aufgewertet, sie haben mir geholfen, es besser durchzustrukturieren und mich selbst viel besser zu organisieren. Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie soviel Vertrauen in das Buch setzten.

CERYX: Glaubst du, die Situation in Kanada ist nach dem 11. September 2001 und seitdem die USA in den Krieg gezogen sind, eine andere geworden?

Terry Woo: Ja, sehr. Leute in der ganzen Welt realisieren es oft nicht, aber unsere Kultur und unser Handel hängen sehr von den Vereinigten Staaten ab. Die Bundesregierung war sehr handelsfreundlich in den vergangenen Jahrzehnten seit dem Beginn von NAFTA (dem Nordamerikanischen Freihandels-Abkommen). Der Schutz dieser Beziehung ist zum obersten Prinzip geworden, soweit, dass wir unsere eigene Souveränität in Gefahr bringen. Viele der Sicherheitsdiskussionen in den USA haben direkte Auswirkungen auf uns Kanadier, man denke an Grenzkontrollen, Flugsicherheit und Einwanderung. Unsere recht liberalen Einwanderungsgesetze werden mit Sicherheit darunter leiden. Viele Kanadier, mich eingeschlossen, sind oft frustriert über die Beziehungen unserer beiden Länder... Ich denke, Mike und Dave sprechen etwas darüber in Banana Boys. Ich schätze, es ist wie das Leben einer Maus, die neben einem Elefanten schläft.

CERYX: Worüber schreibst du zur Zeit?

Terry Woo: Mein nächstes Buch handelt von Macht. Ich war in den vergangenen zwei Jahren im High-Tech-Boom gefangen und ich habe Dinge erlebt, die einen hart arbeitenden Menschen völlig in den Wahnsinn treiben können (ich bin nicht sicher, ob mir das auch hätte blühen können). Ich möchte ein Buch über einen Teil dieser Verrücktheiten schreiben, die ich gesehen habe.

CERYX: Welcher Roman hat dich in letzter Zeit am meisten beeindruckt?

Terry Woo: Ehrlich gesagt, ich lese gar nicht soviel. Ich lese viele Magazine und Zeitungen, sehe fern, höre Musik, aber Romane sind nicht das Medium, aus dem ich Informationen beziehe. Ich habe einige großartige Musikstücke gehört, die mich inspiriert haben. Ich mag einige gute kanadische Bands wie Sloan oder Nickelback mit guten Beats und Hardrock-Tönen, die dieses Land hervorbringt.

um


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Interview with the Canadian author Terry Woo

CERYX: Hi Terry - how have been doing since your book has been published?

Terry Woo: It's been about a year and a bit - it was published October of 2000. The book hasn't shown up in the bargain bins, yet, and that's great news!

CERYX: Which of the characters is the closest to you? Is it Mike becoming an author himself?

Terry Woo: I guess it sounds like a cop-out, but I'm definitely mixed into all the characters (insert boos here!), especially in terms of habits, hobbies, and expressions. The five characters are a combination of about 20-odd friends and acquaintences I've gotten to know over the past number of years. People who know me in certain parts of my life - work, business, writing,
DJing - all seem to assume that I'm one of the characters, but I can safely say that I'm not in any single one. However, I can say that I'm least like Shel, whom I modeled largely after my best friend (who's now happily married in Hong Kong and expecting a kid... crazy!)

CERYX: How was the response on your book in Canada and the US?

Terry Woo: From what I understand, it's doing quite well, especially in Toronto and Vancouver (British Columbia) - there are very large Chinese Canadian populations in both those cities. I've been trying to obtain literary representation for a possible deal in the US, or even the UK and Australia, where I think it has a huge amount of relevance. In any case, the book is available for order online worldwide, at Chapters-Indigo online and through my own website.

CERYX: How did other Chinese North Americans react on your story?

Terry Woo: Very very positively. You can read a number of reader responses on my website. I think, overall, the book fills a void felt by many Chinese Canadian bananas. Most Asian literature in North America is either focused on the past (e.g. sagas about railways and the WWII Japanese internment), based in California or Vancouver, and (this is a biggie) from a female perspective. I think we all enjoy reading about things close to us, and Banana Boys tries to fit the bill for a new generation of Asian Canadians.

CERYX: Did you get any response on your book from Europe?

Terry Woo: Although your original CERYX article was a great surprise, I have not yet received any other formal response from Europe. I'd love to, however; while there are many paralells between Canada and the United States, and think there's a strong degree of relevance to Asians who may have grown up in Europe, especially in the UK. Here's to this interview helping out in that respect!

CERYX: How do you feel about being a writer?

Terry Woo: I love it. It's my passion and my craft, and I try to do it as much as I can. Unfortunately, I've been formally educated as an engineer, and I'm kind of used to a lifestyle provided by software jobs... and I find that working with computers tends to sap a lot of writing creativity.

CERYX: With your novel you want to write a different story on Asian Americans than Amy Tan? How do you view her work?

Terry Woo: I can't say I'm a fan of Amy Tan. I'll have to admit that when I first read "Joy Luck Club," I liked it - at the time, there were so few books out there with any Asian American or Canadian content that it was like a glass of water to a man dying of thirst. But on closer inspection of her writing, I started noticing some significant problems with her writing - that it seemed to over-exotic-fy Asian culture, that it had little to say positively about Asian men, that it seemed to hinge Asian female advancement at the expense of the men. She has a knack for telling stories and weaving exotic-sounding myths, but I just couldn't stomach the portrayal of Asian culture in terms of haunting ghosts, tortured spirits, and alien practices, especially in relation to modern Asian American living. And it was disappointing (to say the least) that every non-peripheral Asian guy in the book was a jerk, or a loser, or a weakling, or a bastard of some sort. With Banana Boys, I wanted to respond to this, to write something of an Asian guy anti-Joy Luck Club - younger, hipper, more relevant to my generation. I wanted to write a book flavoured with modern twentysomething Asian Canadian life - music, sports, relationships (or lack of), drinks, stuff like that. I also wanted to deal with the ongoing relationship at large between Asian men and Asian women. The relationships between the Banana Boys and the women in their lives - mothers, sisters, girlfriends, temptresses, women in general - are varied, with some being intensely valuable and passionate, and others frustrating and filled with tension. With Banana Boys, I wanted inject a degree of mundane honesty in teh relationships detailed... and hopefully, I've done it well and somewhat
sympathetically!

CERYX: Is it hard for young authors in Canada finding a publisher?

Terry Woo: It's very difficult. I find that the Canadian publishing industry has an odd way of looking at the book business... "insular" is a word that comes to mind. Contrast that with publishing in America, where I believe they tend to be more receptive to new and innovative ideas (must be that "go-go-go capitalist" ethic!). But writing and publishing are two very different things. I maintain that "getting it down" is the most important thing... and then, if you want it enough, publishing will happen. If a goof like myself can get published, anyone can!

CERYX: How great is the influence of publishers on your work?

Terry Woo: Pretty good - we had some interesting fights about the book! But they definitely added value to the final product, helping me streamline it and organize it a lot more. I'm very grateful to them for having faith in the book.

CERYX: Do you feel that the situation in Canada has changed, too, after the events of Sept 11th, 2001 and since the US went to war?

Terry Woo: Very much so. People worldwide don't often realize this, but a lot of our culture and commerce is completely dependent on the United States. The federal government has been very commerce-friendly over the past decade since the inception of NAFTA (the North American Free Trade Agreement), and protection of that relationship has become paramount... to the point where it's threatening our sovereignty. So a lot of the security decisions made by the US are directly impacting Canadians, in regards to crossing the border, flight security, and immigration. Our somewhat liberal immigration laws will definitely suffer because of it. Many Canadians, including myself, are sometimes frustrated by the relationship between our two nations... I think Mike and Dave talk a little about it in Banana Boys. It's merely a function as a mouse sleeping beside an elephant, I guess.

CERYX: What are you writing about these days?

Terry Woo: My next book is about power. I was kind of caught up in the high-tech boom for the past two years, and I've seen things that could drive a hard-working, honest guy completely insane (not sure if that happened to me.) I want to write a book about some of the craziness I've seen.

CERYX: What novel made the greatest impact on you lately?

Terry Woo: To be honest, I don't read all that much. I read a lot of magazines and newspapers, and watch TV and listen to music, but novels aren't really the medium I absorb information with. I've listened to some great music that has kind of inspired me, though... I'm getting into some quality Canadian bands like Sloan and Nickelback, some great beatlesque and hard rock tunes coming out of this country!

um