APRIL
2002

 
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viventura-Reisen

Tropico - Die virtuelle Diktatur
PopTop Software
"Tropico"
D 2001

Vor ungefähr einem Jahr erschien Tropico. Wie so vieles andere wurde auch dieses Produkt kräftig beworben und vieles versprochen. Ein kritischer Blick ein Jahr danach, da niemand mehr davon redet: Was ist überhaupt Tropico?

Hinter dem wohlklingenden, fernweherzeugenden Namen verbirgt sich – ein Computerspiel. Genaugenommen eine Wirtschaftssimulation, fast eine Seltenheit in der von immer neuen „Ego-Shootern“ überschwemmten Szene; noch etwas genauer genommen die Simulation einer Diktatur, nämlich des Regimes einer imaginären Bananenrepublik.

Die Firma PopTop Software scheut sich keineswegs, das werbetechnisch auszuschlachten. Aber steckt nicht in jedem von uns ein kleiner Diktator? Tropico ermöglicht es, diese Neigung jetzt ebenso ungestraft wie verhältnismäßig risikolos auszuüben, ohne sich selbst und andere zu gefährden – und vor allem wird die Erfahrung beliebig oft reproduzierbar.

Aber was bietet Tropico noch, abgesehen von der Befriedigung niedrigster Instinkte? Zum einen wäre da zu die niedliche Cartoongrafik zu nennen sowie die Möglichkeit, bis in allerkleinste Details zu reglementieren, zu bestimmen und, noch stärker, zu kontrollieren – wer gewisse Voraussetzungen erfüllt, kann sich von Umweltschutzprogrammen bis hin zur Bücherverbrennung fast alles leisten. Zum anderen, und das macht Tropico tatsächlich etwas neuer und besonderer, die Klänge (über den lispelnden spanischen Akzent des Beraters kann man herzlich lachen) und noch mehr die Musik, die eigens für das Spiel komponiert und aufgenommen wurde und sich – wenn auch begrenzt – durchaus an anerkannten Größen wie Compay Segundo messen lassen kann.

So mischen sich hier ältere und neuere Klassiker wie SimCity, Railroad Tycoon und Anno 1602 mit eher wenigen Strategiespiel-Elementen (die Armeen lassen sich beispielsweise nicht dirigieren, sondern erledigen alles von selbst – auch das Putschen, versteht sich) zu einer erfrischend wenig trockenen Wirtschafts- und Politiksimulation, die nach einiger Zeit allerdings ebenso durchschaubar und damit langweilig wird wie ihre Pendants. Letztlich ist eben doch jedes Computerspiel nur ein Programm, also eine Häufung mathematischer Algorithmen. Noch ist diese Technik dem menschlichen Geist offensichtlich einfach nicht gewachsen. Ob das in 20 Jahren anders sein wird, sei dahingestellt.

Insgesamt ist Tropico eine in sich abgeschlossene und runde Sache und nicht entfernt so geschmacklos wie die Diktatoren-Hitliste in „FHM“ oder ganz einfach der Großteil der anderen mehr oder weniger aktuellen Computerspiele. Sollte jemand Bedenken hinsichtlich der bisweilen wirklich recht unsauberen Methoden haben, seinen Willen durchzusetzen, und sei es „nur“ in einem Computerspiel: Niemand wird zu derlei drastischen Maßnahmen wie Bücherverbrennung, Inquisition, Liquidation etc. gezwungen, und so gibt Tropico vielleicht sogar noch Aufschluß über den wirklichen eigenen Charakter (zur einen oder anderen Bestechung und zu einem Schweizer Konto wird sich wohl jeder mal hinreißen lassen – etwas Korruption in Ehren kann niemand verwehren, wie sich seit einiger Zeit ja auch kontinuierlich aus der deutschen Tagespresse herauslesen läßt -; was darüber hinausgeht, sollte einem dann doch zu denken geben).

mp